Così fan tutte oder: Ist Salzburg noch zu retten?

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Die drei Opern, die Wolfgang Amadé Mozart mit dem Hofpoeten Lorenzo da Ponte erarbeitet hat, bilden so etwas wie den Salzburger „Ring des Nibelungen“. Ab 2013 steht allerhand auf dem Spiel.

„Così fan tutte“, gut. Der ganze Da-Ponte-Zyklus? Bei den Salzburger Festspielen? Christoph Eschenbach hat dem Intendanten über Nacht zugesagt: Weil Franz Welser-Möst in einem begreiflichen Wutanfall nicht nur seine Mitwirkung an den Sommerveranstaltungen 2013, sondern – etwas weniger begreiflich – gleich auch noch für die kommenden Jahre aufgekündigt hat, wird Eschenbach nach „Così“ auch „Figaros Hochzeit“ und „Don Giovanni“ dirigieren.

Der ganze Zyklus, den Mozart zwischen 1786 und 1790 mit dem Hofpoeten Lorenzo da Ponte erarbeitete, und der seinen Ruhm als erster Repertoire-Komponist der Operngeschichte begründen sollte, stellt in seiner Heimatstadt ja so etwas wie das Herzstück des Festspiel-Repertoires dar.

Ein überhasteter Entschluss

„Figaro“, „Giovani“ und „Così fan tutte“ bilden für Salzburg das, was für Bayreuth der „Ring des Nibelungen“ ist. Der überhastete Entschluss des Wiener Generalmusikdirektors, den für die Jahre 2013 bis 2015 geplanten Durchlauf an der Seite seines Lieblingsregisseurs, Sven-Eric Bechtolf, doch nicht zu unternehmen, hat die Festspiel-Führung vor ein, zugegeben, sehr heikles Besetzungsproblem gestellt.

Vielleicht hat die Panikattacke nach Welser-Möst, der via Programmbroschüre erfahren musste, dass er eine heikle Opernvorstellung um elf Uhr vormittags dirigieren sollte, nach der daraufhin erfolgten Absage auch den Intendanten befallen.

Pereira hat nicht nur Ersatz für 2013 gesucht – einen Maestro zu finden, der so kurzfristig ein solches Projekt übernimmt, ist ja tatsächlich nicht einfach; vielmehr ist man gleich aufs Ganze gegangen und hat für die gesamte Opern-Trias eine Lösung gefunden. Nun fragen sich Kommentatoren in halb Europa, ob die Wahl von Christoph Eschenbach, der ein wackerer Kapellmeister genannt werden darf, aber wohl nicht zur Creme der herausragenden Dirigenten-Interpreten unseres Äons zu zählen ist, der Weisheit letzter Schnellschuss sein soll.

Karl Böhms Erbpacht

Immerhin geht es, wie gesagt, um so etwas wie den Salzburger „Ring“. Und man will ein Zeichen setzen. Entgegen dem herrschenden Trend geht es nicht darum, ob Anna Netrebko auf der Bühne steht oder nicht. Erstmals in der Festspielgeschichte sollte vielmehr ein Dirigent mit einem Regisseur alle drei Opern erarbeiten.

Nicht einmal Karl Böhm hat das seinerzeit geschafft. Von Karajan nicht zu reden, der zwar „Figaro“ eloquent und „Don Giovanni“ wirklich hochdramatisch darzustellen wusste, aber um „Così fan tutte“ immer einen Bogen machte, seit er das Stück im Londoner Plattenstudio erarbeitet hatte.

Auf Karl Böhm, der zwischen 1953 und 1977 fast uneingeschränkt eine Erbpacht auf „Così fan tutte“ hatte, folgte in einem veritablen künstlerischen Coup Riccardo Muti – niemand hätte dem Neapolitaner, der zuvor als eine Art Neo-Toscanini fürs Belcanto-Repertoire galt, das damals zugetraut.

Doch nach der Premiere der Michael-Hampe-Inszenierung von 1982 wurde Muti allseits als idealer Transformator der großen Mozart-Tradition jenseits der Originalklang-Experimente gefeiert. Gerade mit „Così fan tutte“ gelang das Unterfangen glänzend, einem Werk, das ganz spät in der Interpretationsgeschichte erst Aufnahme in den sakrosankten Werkekanon fand. Salzburgs Festspielmitbegründer Richard Strauss war es, der das Rankwerk von Gerüchten über Unspielbarkeit und die Verwerflichkeit des Librettos von der genialen Partitur zu entfernen wusste.

1922, als das erste Mal im Festspielbezirk Opern erklangen, war „Così“, von Strauss selbst dirigiert, nebst dem „Giovanni“ und der „Entführung“ mit von der Partie, damals noch allseits bestaunt; und wurde noch Jahrzehnte später als Außenseiter behandelt – von Karajans Abstinenz war die Rede, auch Wilhelm Furtwängler, der „Figaro“ und „Giovanni“ selbstverständlich als „Chefsachen“ betrachtete, kam nicht auf die Idee, das dritte Werk im Bunde anzurühren.

Die Trias, erstmals in einer Hand

Und nun? Salzburg schickt sich an, endlich eine Da-Ponte-Trilogie herauszubringen, bei der Regie und musikalische Leitung in einer Hand liegen – das sollte spannend sein und wird nun, Hand aufs Herz, zur programmierten Notlösung. Vielleicht tut es Franz Welser-Möst schon leid, so heftig reagiert zu haben. Sicher kann Alexander Pereira nicht mehr zurück, er hat seine Entscheidung getroffen. Sie ist (allen Spontaneitätsnöten zum Trotz) nicht wirklich leicht nachvollziehbar; so wenig wie die Hintergedanken mancher journalistischer Kommentatoren, die für eine solche Aufgabe allen Ernstes dirigentische Jungspunde ins Spiel bringen, die in kleinen Häusern schon mit Mozart-Premieren Erfolge feiern durften.

So gewinnt man als Beobachter das Gefühl, dass sich weder die Verantwortlichen im Festspielhaus noch die Kulturredakteure in diesem Land wirklich darüber im Klaren zu sein scheinen, was hier für eine Institution wie die Salzburger Festspiele tatsächlich auf dem Spiel steht...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2012)

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