Unterreiner: „Ich hab mich hinaufgesungen“

Clemens Unterreiner
Clemens UnterreinerAPA/HANS KLAUS TECHT
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An sein Talent glaubte lange niemand. Clemens Unterreiner wurde trotzdem Solist der Wiener Staatsoper – und lädt heute zum Adventkonzert.

Er sei „unser Seitenblicke-Tenor“, stellte ihn Desirée Treichl-Stürgkh einmal auf dem Opernball vor. Es sei zwar keine Schande, „Tenor zu sein“, konterte Clemens Unterreiner, tatsächlich aber sei er Bariton. Schlagfertig und charmant ist Unterreiner auf dem gesellschaftlichen Parkett unterwegs. Er nehme gern Einladungen an, sagt er. „Es gibt doch nichts Schöneres, als eine Visitkarte für die Kunstform Oper zu sein, die Leute neugierig zu machen. Und das passiert genau dort.“

Oder am Donnerstagabend in der Lutherischen Stadtkirche in der Dorotheergasse, in der sein jährliches adventliches Benefizkonzert stattfindet, mit dem er sich selbst gern in Weihnachtsstimmung bringt. „Das hab ich schon gemacht“, sagt der 35-Jährige, „da war ich noch niemand. Seitdem ich Solist an der Staatsoper bin, wird es immer prominenter.“ Renate Holm oder Ildikó Raimondi sind heuer mit dabei, der Erlös geht an eine karitative Organisation, zu der Unterreiner Bezug hat; im Vorjahr war es ein Blindenprojekt. „Weil ich als Kind selbst blind war“, sagt Unterreiner. „So bin ich überhaupt zur Oper gekommen.“

Als Fünfjähriger war er im Urlaub aufgewacht und konnte nicht mehr sehen: eine schwere Augenentzündung. Erinnern kann er sich heute nur noch an die weiche Couch des Augenarzts. Weil er sonst nichts tun konnte, kauften ihm die Eltern Hörkassetten. „Karlheinz Böhm sprach über das Leben von Mozart oder Beethoven. Vor allem Beethoven hat mir so gefallen, weil er taub war und trotzdem bis zum Schluss komponiert hat. So wurde ich Klassikfan.“ Nach einem Jahr konnte er langsam wieder sehen, heute ist der Wiener „einfach schlechtsichtig“.


In der Schule wurde er Teil einer Opernclique. „Wir waren fast jeden Tag am Stehplatz, das war für uns cool. Wir wollten nicht rauchen, nicht Party machen, wir waren“, ergänzt Unterreiner schmunzelnd und leicht nasal, „was Besseres. Wir waren in der ganzen Schule verhasst.“ Nach der Matura studierte die Truppe Medizin oder Jus – er auch, Letzteres. Er hatte zwar schon als Kind die „Königin der Nacht“ gesungen, „aber dass ich das einmal beruflich machen könnte, darauf hätte keiner gewettet. Ich war bemüht, aber es war nicht die Wunderstimme. Aber der Wunsch war immer da.“ Irgendwann gestand man ihm Gesangsstunden zu – mit enttäuschendem Ergebnis: Auch Hilde Rössel-Majdan riet ihm trocken, bei Jus zu bleiben.

Mit 23 Jahren versuchte er dennoch die Aufnahmeprüfung zum Gesangsstudium. „Zu schlecht, zu alt“, beschied man ihm. Was er noch heute für unfair hält: „Viele der Studenten kommen schon fertig ausgebildet nach Wien.“ Unterreiner gab trotzdem nicht auf, „obwohl nun sogar mein Vater schwarz auf weiß hatte, ich sei zu schlecht. Aber Träume erfüllen sich nicht von selbst.“

Vielmehr durch mühsam verdienten Privatunterricht. Unterreiner ließ sich ausbilden, lernte, nahm an einem Wettbewerb teil, bekam eine erste Rolle in Linz. Dann eine in Wien – für die Kinderoper im Zelt auf der Dachterrasse. Dann eine für die große Bühne: Den Part des Brühlman in „Werther“. Dort sang er nur ein Wort: Klopstock. „Mit diesem Klopstock hab ich mir den Solistenvertrag an der Staatsoper ersungen.“

Das war 2004, seither ist Unterreiner der Staatsoper „dankbar treu verbunden“, auch wenn er mitunter gern gastiert. Und kann dem Haus vor allem eines versprechen: „Als Wiener in Wien werd ich mich nie blamieren.“

Zur Person

Clemens Unterreiner (35) wurde in Wien geboren. Seit 2005 ist er Solist an der Staatsoper, jüngst etwa als Hohepriester in „Alceste“. 2012 debütierte er bei den Salzburger Festspielen. Heute, Donnerstag, lädt er zum Adventkonzert: Lutherische Stadtkirche Dorotheergasse (Eintritt: Spende).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2012)

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