Beethovens Visionen der Freude, diesmal stramm exerziert

Symbolbild Streicher
Symbolbild Streicher(c) APA HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Christoph Poppen dirigierte im Wiener Konzerthaus zum Jahreswechsel die Neunte Symphonie – und er enttäuschte. Selbst Präzision erreicht man mit kompromisslosem Schlag nicht immer.

Nicht nur auf den Dirigenten, auch auf den Konzertmeister kommt es an. Schon seit Jahrzehnten markieren Aufführungen von Beethovens Neunter Symphonie im Konzerthaus das Ende das alten und den Beginn des neuen Jahres. Von den Wiener Symphonikern ist dabei Flexibilität verlangt, denn Jahr für Jahr wechseln Dirigent und Solistenquartett. Einzige Konstante: die Wiener Singakademie, die unter Heinz Ferlesch ein Niveau erreicht hat, an das man vor Jahren nicht einmal zu denken wagte. Doch Dirigent Christoph Poppen, der seine bisherige Dirigentenkarriere im Wesentlichen bei mittleren deutschen Klangkörpern absolviert hat, scheint nicht viel von der persönlichen Gestaltungsfähigkeit seiner Musiker zu halten. Sonst würde er sie nicht derart an die Kandare nehmen, ihnen mit meist kräftig ausladenden, gar nicht eleganten Bewegungen zeigen, was er konkret von ihnen will.

Doch zeigte sich hier mehrfach: Selbst Präzision erreicht man mit kompromisslosem Schlag nicht immer. So war es nicht verwunderlich, dass die Symphoniker bald mehr auf ihren Konzertmeister, Florian Zwiauer, schauten, als den Blickkontakt mit dem Dirigenten zu suchen, der mit diesem Beethoven nur wenig anzufangen schien. Schon die markanten Intervallsprünge des einleitenden Allegros, ma non troppo, un poco maestoso, die den Keim der folgenden melodischen und rhythmischen Entwicklung in sich tragen, kamen so beiläufig über die Rampe, dass sich im Folgenden Spannung kaum je breitmachen konnte.

Emphatische Sopransoli, markanter Bass

Weniger präzise denn starr ließ Poppen auch das Scherzo musizieren. Die diesem Abschnitt innewohnende Dämonie kam nicht einmal ansatzweise durch. Gar nicht zu reden von der – übrigens von slawischer Folklore inspirierten – Lyrik des Trios.

Poppen verfügte aber auch nicht über den notwendigen Atem, um die weitgespannte Kantabilität des langsamen Satzes zum Klingen, wenn schon nicht zum Leuchten zu bringen. Oberflächlich und platt schließlich auch das Finale. Es hätte mehr Detailarbeit bedurft, um die Botschaft dieses Satzes entsprechend visionär wirken zu lassen. Das konnten weder die emphatischen Sopransoli Juliane Banses noch die markanten Basseinwürfe von Florian Boesch vergessen machen, die ihre beiden Partner, den Mezzosopran Charlotte Hellekant und den Tenor Dominik Wortig, auch an vokaler Stärke überragten. dob

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2013)

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