Konzerthaus: Fad wurde es nur bei der „Avantgarde“

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Das Szymanowski Quartet glänzte mit klug interpretiertem Haydn und hochromantischem Dvořák. Eine fürs Jubiläum entstandene Novität enttäuschte dagegen.

In Zeiten der allgemeinen Klangnivellierung ist ein solcher Abend besonders erfreulich: Das Szymanowski Quartet, vielfach prämiert, musizierte im Mozartsaal des Konzerthauses Klassisches, Romantisches und die erste Novität im Zuge der Feiern zum 100-Jahr-Jubiläum des Hauses.

Haydns frühes f-Moll-Quartett (Nr. 35 im Hoboken-Verzeichnis) machte den Anfang, irritierend für manchen Hörer, denn die vier polnischen Musikanten haben ihre Hausaufgaben gemacht und studiert, was Zeitgenossen Haydns zum Thema Artikulation und Phrasierung zu sagen haben: Also ist ihre Interpretation fern von stromlinienförmiger Formung, gibt jedem einzelnen Element der melodischen Gestaltung seinen eigenen Charakter, nimmt Tempo- und agogische Nuancierungen vor, hält den Geist des Hörers wach durch erstaunlichste Pointensetzung.

Irgendwo spricht Haydn von Geschichten, die er mit seiner Musik erzählen möchte. Da ist er bei den Szymanowskis in besten Händen. Mit dem Zweiten Streichquartett ihres Namenspatrons erobern sie andere Regionen: Hier wird schon in den ersten Takten der Klang zum architektonischen Element, wird in motivischen Rang erhoben. Die impressionistische Auffächerung des Farbvaleurs, die rhythmische Trennschärfe, in der Szymanowski Volksmusik aus der Hohen Tatra paraphrasiert, sie werden mit expressiver Spielweise zu Miniaturdramen verdichtet. So fabuliert die Moderne. Unsere Zeitgenossen haben dem kaum wirklich Konsistentes entgegenzusetzen.

Movio: Austauschbare Klangereignisse

Die fürs Konzerthaus-Jubiläum entstandene Novität des Italieners Simone Movio reiht flüsternde, schnarrende, raunzende Klangereignisse aneinander wie hunderte vergleichbare Produkte der nun schon in die dritte Generation gehenden sogenannten Avantgarde. Wem diese zu welchem Zweck „vorauseilt“, ist schon lang nicht mehr auszumachen, auch, ob die Reise wohin führt, wird wohl erst in 50 Jahren abzuschätzen sein. Im Moment fadisiert man sich bei zehn Minuten dieser Machart jedenfalls viel eher als bei drei Viertelstunden von Dvořáks spätem G-Dur-Streichquartett, mit dem die Szymanowskis auch ihre Kompetenz in Sachen Hochromantik zeigten: Vom traumverlorenen Innehalten bis zur brausenden Tanzlust ist alles vereint, was nur Musikgenuss vermitteln kann, freilich formal gebündelt durch die Kraft eines Genies, das Handwerk und Aussagekraft vollständig zu harmonisieren wusste – wie die jungen Musiker dieses Streichquartetts ihre Spielkünste. sin

Auf Ö1: 17.2., 19.30 Uhr

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2013)

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