Wien: Der Besuch der einsamen alten Pique Dame

Wien Besuch einsamen alten
Wien Besuch einsamen alten(c) APA GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Tschaikowskys "Pique Dame" ist wieder im Repertoire der Staatsoper. Doch nur Grace Bumbry glänzt wirklich.

Diese Manieren heutzutage! Dieser Umgangston! Und weder tanzen noch singen können sie mehr... So wie in Werfels Roman „Verdi“ der hundertjährige Marchese Gritti 1882 nach über 29.000 Opernabenden an der sogenannten Moderne kein gutes Haar lässt, so nimmt die alte Gräfin in Tschaikowskys Puschkin-Vertonung „Pique Dame“ das Privileg des Alters in Anspruch, der Vergangenheit nachzutrauern und über die Gegenwart den Kopf zu schütteln. Ganz fremd blieben solche Gefühle auch dem jüngeren Publikum der Staatsoper nicht, wo das düster-packende Stück rund um einen zwischen Liebe und Glücksspiel zerrissenen Offizier nun wieder ins Repertoire genommen wurde.

Denn die alte Gräfin, einst gerühmt als „Venus von Moskau“, wurde von keiner Geringeren als der 76-jährigen Grace Bumbry gegeben, die ihrerseits 1961 in Bayreuth als „schwarze Venus“ berühmt wurde. Sie ist immer noch eine Diva, wie sie im Buche steht. Unvermindert persönlichkeitsstark, ob nun am Stock, am Arm hilfreicher Herren oder in großer Abendrobe hoheitsvoll durch das Parkett schreitend, kann sie auch stimmlich reüssieren und namentlich die Grétry-Arie mit fokussierter Fülle und ausdrucksvoller Wehmut tränken.

Bilder aus dem heutigen Russland

Dass sie in der Gesamtwirkung hinter der unvergesslichen Martha Mödl (1992) etwas zurückbleibt, liegt auch an Vera Nemirovas Inszenierung, in der die gesellschaftlichen Missstände und Auswüchse des Zarenreichs mit jenen des Postkommunismus kurzgeschlossen und bebildert werden, dem fantastischen Anteil der Story aber wenig Aufmerksamkeit gilt.

Um die bejubelte Grace Bumbry herum aber war ein teils braves, wegen einiger Absagen teils mehr behelfsmäßig agierendes Ensemble am Werk, das nur selten an das Niveau glanzvoller Erinnerung anschließen konnte. Marian Talaba (statt Neil Shicoff) kann sich dem Hermann nicht von der helden-tenoral exaltierten, sondern nur von lyrischer Seite her nähern, stößt dabei aber unweigerlich an seine Grenzen und ergeht sich in händeringender Larmoyanz, während Hasmik Papian (statt Marina Poplavskaya) als Lisa über mehr Kraft als Charme verfügt und dabei zunehmend in Intonationsnöte gerät. Der wackere Eijiro Kai (statt Boaz Daniel) sang den Jeletzki mit Charakterbariton, wodurch sich die Differenz zum sich steigernden Tómas Tómasson als Tomski aber verwischte.

Verwischt waren auch die orchestralen Konturen, und die wogenden Chorklänge wollten partout nicht den Gezeiten gehorchen, die Marko Letonja am Pult vorgab.

Noch am 23., 27. und 30.1.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2013)

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