Musikverein: Mozart ohne große Tiefe

Musikverein Mozart ohne grosse
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Zu Mozarts 257. Geburtstag spielten Simon Rattle und das Orchestra of the Age of Enlightenment dessen letzte drei Symphonien.

Freimaurersymbolik stecke in der Es-Dur-Symphonie, die auf die „Zauberflöte“ vorausweise, gefolgt von Schmerz und Aufbegehren in der Todestonart g-Moll, dann aber komme der Sieg von olympischem Licht und Geist in C-Dur: Mozarts letzte drei Symphonien, ohne bekannten Anlass im Sommer 1788 entstanden, haben seit jeher die Fantasie der Nachwelt beflügelt. Dem romantisierenden Blick des 19. Jahrhunderts auf eine prononcierte Trilogie, geschaffen für die Nachwelt, stehen aus jüngerer Zeit nüchternere Ansichten gegenüber, bei denen mögliche Aufführungsdaten ins Treffen geführt und vor allem Mozarts Vorbilder benannt werden: Joseph Haydns „Pariser“ Symphonien Nr. 82–84 in den gleichen Tonarten; im Fall des fugierten Finales der „Jupiter“-Symphonie auch einige Werke Michael Haydns.

Wenn Sir Simon Rattle ans Pult des Orchestra of the Age of Enlightenment tritt, dann sind die manche Geheimnisse und viele Schwierigkeiten bergenden Partituren zuallererst einmal: detaillierte Spielanweisungen. Und zwar solche, denen nachzukommen keine gröberen Probleme bietet, wie es scheint. In zumeist hurtigen, von sportivem Elan bestimmten Tempi strebten die britischen Gäste im Musikverein vor allem nach festlicher Helle und setzten dort und da, wie sich das für Ensembles mit alten Instrumenten gehört, lustvoll ruppige Akzente im spürbaren Eifer nach Detailreichtum und Transparenz. Am besten bekam dieser Zugriff der Es-Dur-Symphonie, in der die Kontraste zwischen weit ausschwingender, zarter Melodik und markigen Energiestößen sinnreich herauskamen. Erfreulich auch, dass Rattle dort, wo er Mozarts Wiederholungszeichen befolgt, sich auch um teils überraschende Vortragsvarianten wie die eine oder andere dynamisch abgedämpfte Tuttistelle bemüht.

Sein im Wesentlichen positivistisch anmutender Zugang zum Notentext erwies sich jedoch spätestens bei der g-Moll-Symphonie als Enttäuschung: Statt existenzieller Seelennöte persönlichster Natur war in vielfach überzogenen Tempi eher ein äußerlich-pathetischer Sturm und Drang ohne große Tiefe zu hören – teils auch noch mit verunglückten, weil trotz enormen Ausdruckspotenzials überspielten Details. Statt Affekte mitfühlen zu können, hörte man bloß Effekte – und musste gar kein Harnoncourt-Fan sein, um die unerbittliche Dramatik von dessen Klangrede zu vermissen. Auch die zahlreichen zwielichtigen, dunklen Seiten der „Jupiter“-Symphonie blieben bei Rattle zuletzt unentdeckt. Dennoch viel Jubel für einen zwiespältigen Abend. wawe

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2013)

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