Staatsoper: Traumbesetzung

Die Staatsoper lockt bis zum Saisonschluss mit einem Aufgebot großartiger Stimmen.

Direktor Dominique Meyer möchte in jeder Spielzeit so viele Stars wie möglich in seinem Haus haben. Wie gut ihm das gelingt, lehrt ein Blick auf den Spielplan der Staatsoper bis zum Saisonschluss. Im April beginnt eine veritable Starparade, die begreifen lässt, warum viele Publikumslieblinge nur einmal pro Spielzeit aufscheinen: Wenn alle drankommen sollen, reichen die 300 Abende von September bis Juni kaum aus. Wobei das Wort Star vieldeutig sein mag. Ist Olga Peretyatko schon ein Star? Jedenfalls ist sie eine der gesuchtesten Sopranistinnen unserer Zeit, und sie singt dieser Tage an der Seite von Matthew Polenzani, einem vor allem in den USA umworbenen lyrischen Tenor, und Simon Keenlyside, der eben Bergs „Wozzeck“ gestaltet hat, in Verdis „Rigoletto“. Und weil wir des Komponisten 200. Geburtstag zu feiern haben, steht parallel dazu die fünfaktige Version des „Don Carlos“ wieder auf dem Programm.

Die Inszenierung von Peter Konwitschny hat sich nach der heftig umstrittenen Premiere als Dauerbrenner erwiesen, nicht zuletzt, weil Bertrand de Billy die Zügel der Produktion nie aus der Hand gegeben hat. Er betreut auch die Wiederaufnahme, in der unter anderem Iano Tamar und Nadia Krasteva als Elisabeth und Eboli zu hören sein werden, Kwangchul Youn singt König Philipp, als Infant debütiert Yonghoon Lee, ein junger Koreaner, der seit Kurzem von einem bedeutenden Opernhaus zum andern tourt. Andris Nelsons, einer der Favoriten für die Rattle-Nachfolge bei den Berliner Philharmonikern, leitet gleich zwei April-Serien, nebst Tschaikowskys „Eugen Onegin“ mit Anna Netrebko und Dmitri Hvorostovsky auch Puccinis „Bohème“, in der seine Lebenspartnerin Kristine Opolais die Mimi singen wird, Piotr Beczala ist der Rudolf und Anita Hartig, die zuletzt bewegend die Mimi verkörpert hat, wechselt noch einmal zurück in ihre ursprüngliche Rolle, die lebenslustige Musette.

Alagna, Gheorghiu, Thomas Hampson. Einige Künstler kehren dann doch mehrmals pro Jahr an den Ring zurück. Wenn nächstes Jahr eine Diva wie Angela Gheorghiu dominiert, so war es heuer ihr langjähriger Ehemann Robert Alagna, der sich in wechselnder Gestalt zeigte. Ende April ist er an der Seite von Elina Garanca Massenets Werther, im Mai kehrt dasselbe Duo wieder in Bizets „Carmen“. Beide Male steht Bertrand de Billy am Dirigentenpult. Es ist ein amüsantes Aperçu: Friedrich Nietzsche, einst der glühendste Bewunderer Richard Wagners, hielt diesem angesichts des „Parsifal“ Bizets Musik entgegen: Sie sei beispielhaft in ihrer melodischen Natürlichkeit, befand der Philosoph. In Wien steht die „Carmen“ nun Seite an Seite mit etlichen Wagner-Dramen, die das Saisonfinale dominieren. Da ist einmal „Der fliegende Holländer“ mit Anja Kampe, Stephen Gould und Juha Uusitalo, in dem Dirigent Daniel Harding sein Staatsopern-Debüt feiert. Dann folgt ein von Franz Welser-Möst dirigierter Durchlauf des gesamten „Rings des Nibelungen“, in dem Nina Stemme erstmals im Haus alle drei Brünnhilden singen wird. Die Stemme bleibt dann im Lande, um an der Einstudierung der letzten Premiere dieser Saison mitzuwirken. David McVikar inszeniert „Tristan und Isolde“. Stemmes Partner wird Peter Seiffert sein. Stephen Milling, eben Christian Thielemanns Gurnemanz im Osterfestspiel-„Parsifal“, ist König Marke. Dem Wagner-Schwerpunkt wirken „erleichternd“ italienische und französische Stücke des lyrischen, veristischen und belkantesken Repertoires entgegen. In Verdis „Traviata“ kehrt Thomas Hampson, der kommende Saison mehrfach zu erleben sein wird, an die Staatsoper zurück. Seine Partner: Maja Kovalevska und Vittorio Grigolo, zwei der derzeit meistdiskutierten Sänger der jüngsten Generation.

José Cura, Kiri Te Kanawa, Michael Schade. Kräftigste Tenortöne sind in „André Chénier“ zu erwarten, wenn José Cura an der Seite von Martina Serafin die Titelpartie gestaltet. Zartere Töne schlägt jedenfalls die junge Besetzung in Laurent Pellys spritziger Inszenierung von Donizettis „Regimentstochter“ an: Alexandra Kurzak und der Kanadier John Tessier stürmen die höchsten Register, eine große Dame kehrt in der komödiantischen Partie der Herzogin zurück: Kiri Te Kanawa, ein Star, der sich in Wien immer rar gemacht hat, tritt nun in die Fußstapfen von Montserrat Caballé. Eine wahre Diva setzt den ironisch-bezaubernden Schlusspunkt. Ende Juni wird Richard Strauss’ kostbares Spätwerk „Capriccio“ wieder aufgenommen, einstudiert unter der Leitung von Christoph Eschenbach, führt Renée Fleming die exzeptionelle Solistenriege an: Michael Schade und Markus Eiche streiten als Komponist und Dichter wieder um die Gunst der schönen Muse namens Gräfin Madeleine, Angelika Kirchschlager ist die Schauspielerin Clairon, die wiederum vom Grafen, Bo Skovhus, umschwärmt wird. So endet eine Spielzeit mit der eigenwilligen, zur lyrischen Konversationskomödie verdichteten Diskussion über die Frage, was in der Oper wichtiger sei: der Text oder die Musik.

Richard Strauss hat im Verein mit seinem Dirigentenvertrauten Clemens Krauss den Text zu diesem Stücklein selbst gedichtet – und mitten in das Grauen des Zweiten Weltkriegs in Musik gesetzt. Eine Weltflucht – und doch von bis heute überaus faszinierendem Charakter.

TIPP

Zum Beispiel „Eugen Onegin“ mit Netrebko (22. 4.) oder „Tristan und Isolde“, Welser, Stemme, Seiffert, ab 13. 6.

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