Joshua Bell in den großen Fußstapfen von Sir Neville Marriner

Joshua Bell grossen Fussstapfen
Joshua Bell grossen Fussstapfen(c) EPA (Michal Kamaryt)
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Die Jeunesse präsentierte am Mittwoch im Musikverein die Academy of St.Martin in the Fields unter ihrem neuen Chef.

Es spielte die Academy of St.Martin in the Fields unter ihrem Chef – Joshua Bell. Nein, es handelt sich nicht um einen Irrtum des Rezensenten. Fünf Jahrzehnte stand an dieser Stelle der Name der Legende Sir Neville Marriner. Die Berliner Philharmoniker und Herbert von Karajan, die Münchner und Sergiu Celibidache – berühmte Beziehungen, aber letztlich Lebensabschnittspartnerschaften. Echte Lebenspartner, das sind die Academy und ihr Gründer – und für Kohorten von Klassikhörern ein wasserdichtes Gütesiegel. Doch wo bis Ende 2011 Marriner stand, steht seither der Geigenvirtuose Joshua Bell. Oder sitzt. Denn wie Marriner in seinen Anfängen, leitet er das Ensemble meist vom Konzertmeisterpult. „Marriner sah sich rasch gezwungen, die Violine gegen den Dirigentenstab einzutauschen“, liest man im Programm – und ahnt bald, warum.

Bell begeisterte vor allem als Solist

Beethovens eröffnende 1.Symphonie und Mendelssohns am Ende gegebene „schottische“: Solide Aufführungen, an denen man kaum etwas aussetzen kann, außer vielleicht ein paar ungewollt arpeggierte Einsätze; bei denen es aber ebenso schwerfällt, etwas Besonderes zu entdecken. Bell nimmt bei Beethoven die Tempi eher zügig, die Sätze werden klar strukturiert, Akzente effektsicher gesetzt. Dennoch bleibt man mit dem Gefühl zurück, dass Bell unter seinen Möglichkeiten agierte. Weniger bei Details wie etwa achtlos behandelten Vorhalten, sondern bei den großen Bögen. Der Eindruck verstärkte sich noch bei Mendelssohn, denn dazwischen war etwas passiert.

Bruchs erstes Violinkonzert nämlich, ebenfalls von Bell geleitet, aber als Solist. Und da war er plötzlich wieder, der Joshua Bell, den man kannte: der ausdrucksstarke Gestalter mit gesundem Hang zum Individualismus, der sich einem Stück mit Haut und Haaren ausliefert, aber trotzdem den Überblick bewahrt. Auf einmal phrasierte das Orchester viel umsichtiger, ging mit viel stärkerer dynamischer und farblicher Differenzierung zu Werke und einer gut abgemessenen, mit Augenzwinkern servierten Dosis Pathos. Verdienter Jubel. hd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2013)

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