Probleme mit Bruckner, nur erneuert

Ingo Metzmacher
Ingo MetzmacherAPA/BARBARA GINDL
  • Drucken

Ein symphonisch-liturgisches Programm mit Ingo Metzmacher, Symphoniker und Singverein.

„Meine Symphonie ist ein Drama, das drei Personen – wirklich oder symbolisch – spielen: das Unglück, das Glück und der Mensch. Es ist ein ewiges Problem. Ich versuchte, es zu erneuern...“ In seiner „Symphonie liturgique“ genannten Dritten (1945/46) macht Arthur Honegger in drei Sätzen die Auswirkungen des katastrophalen Welt(kriegs)geschehens hörbar – gespiegelt in Satzüberschriften, die aus liturgischen Texten zitieren: Da spannt sich der Bogen vom Jüngsten Gericht (Requiem) über menschliche Verzweiflung (Psalmen) bis hin zur Bitte um Frieden (Messe).

Am Donnerstag im Wiener Musikverein waren die düsteren Klangballungen und rhythmischen Attacken der Ecksätze, noch mehr aber die ganz eigenartig gegensätzlichen und doch ausdrucksvoll sich mischenden Kantilenen des zentralen Adagios in sonorer Qualität zu erleben.

Honeggers Menschheitsdrama

Wenn etwas fehlte, dann das Feuer unbedingter Leidenschaft – doch wirkte Honeggers Menschen- und Menschheitsdrama durchaus schlüssig und eindrucksvoll in der gleichsam nüchternen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit, zu der Ingo Metzmacher die Wiener Symphoniker mit klarer Gestik animierte.

War es dem vielseitigen deutschen Dirigenten hier wieder einmal gelungen, ein weniger beachtetes Werk der letzten 150 Jahre aus dem Schatten zu holen, wurde Bruckners f-Moll-Messe leider nicht ins beste Licht gerückt. Denn wie ein ewiges Problem, erneuert, aber schlechthin unlösbar: So mutete das ebenso großartige wie großartig schwierige Werk in Metzmachers Lesart an. Ein zwingender Bogen war nicht zu hören, nur eine Reihung bunter, teils sogar disparat wirkender Einzelteile, gespielt in wechselnder Präzision, mit nicht immer glückendem Timing und teils mangelhafter dynamischer Balance. Redlich mühte sich ein teils namhaftes, aber unausgeglichenes Solistenquartett am Orgelbalkon, und auch der klangmächtige Wiener Singverein hat Bruckners letzte große Messe schon differenzierter gesungen.

Der Applaus klang dennoch höchst erfreut und dankbar. Heute, Samstag, erklingt das Werk mit denselben Interpreten in seinem liturgischen Rahmen: bei der von Kardinal Schönborn zelebrierten Festmesse zum 200-Jahr-Jubiläum der Gesellschaft der Musikfreunde im Wiener Stephansdom (19 Uhr, Eintritt frei). wawe

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.