Staatsoper: Orchesterwogen, Schattenklänge

Daniel Harding
Daniel Harding(c) EPA (Sigi Tischler)
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„Der Fliegende Holländer“ in der Wiener Staatsoper klingt unter dem jungen Dirigenten Daniel Harding vor allem zupackend dramatisch. Das Publikum zeigte sich gepackt und lautstark dankbar.

Er ist noch keine 38, seine Karriere ist rasant, doch sein Staatsoperndebüt kam überraschend spät: Daniel Harding, einst Assistent von Simon Rattle und Claudio Abbado (man sieht es seiner Schlagtechnik an), konnte sich im internationalen Dirigentenzirkus rasch etablieren, ja sogar unverzichtbar machen – zu rasch, wie gern eingewandt wird. Die Ochsentour durch die Provinz hat er sich erspart, penible Planung macht es ihm derzeit sogar möglich, den „Fliegenden Holländer“ in zwei zahnradartig ineinandergreifenden Serien zu dirigieren: in Berlin sogar eine Neuproduktion (Regie: Philipp Stölzl), in Wien „nur“ Repertoirevorstellungen der Militz-Inszenierung.

Bleibt zu hoffen, dass Harding sich dabei nicht längst als Getriebener fühlt wie die Titelfigur – obwohl oder gerade weil er mit seiner stellenweise direkt aufgeputschten Lesart das Staatsopernorchester couragiert mitzureißen versteht, auch wenn dieses nicht seinen besten Abend hat. Schön, dass er bei aller Dramatik auch die leichteren Seiten der Partitur hervorkehrt, die ja manchmal vom heute gern gering geschätzten Lortzing nicht so weit entfernt sind. Im Pathetisch-Lyrischen lässt er sich freilich über Gebühr Zeit, und die nicht immer ganz synchronen Klangwogen aus dem Graben steigen zuweilen bedenklich hoch. Zu hoch für manche Sänger, denn nicht jeder im Ensemble verfügt über die vokale Expansion eines Stephen Gould, der als Erik wieder ein unbeholfen liebender, dabei nicht ungefährlicher Kraftlackel war. Als vor allem resolute Senta kann ihm Anja Kampe, von kleinen Mühen in der Höhe abgesehen, eindrucksvoll Paroli bieten. Daland in Gestalt von Stephen Milling hat es schon schwerer: Der Däne stellt das merkantile Schlitzohr im Übrigen nicht gänzlich unsympathisch dar, baut dabei aber mehr auf schlanken, wortbezogenen Vortrag auch dort, wo er sich nur mit opulenterem Klang durchsetzen könnte.

Juha Uusitalo kämpft mit der Titelpartie

An Durchschlagskraft, aber auch an szenischer Präsenz gebrach es jedoch vor allem dem Holländer. Der verdiente Sänger Juha Uusitalo, in Wien vor allem als Wotan, aber auch als Hindemiths Cardillac bekannt, hat sich im Vorjahr nach schwerer Krankheit in Respekt gebietender Weise auf die Bühne zurückkämpfen können – und kämpft dort nun weiter. Darstellerisch etwas eingeschränkt, klingt der Finne zwar passend fahl und düster, aber doch nur mehr wie der Schatten eines Heldenbaritons. Ob verfluchte Schattenwesen in des Holländers Mannschaft, derbe, Vergewaltigung nicht scheuende Seeleute oder fleißige Spinnerinnen, der Staatsopernchor sang und spielte aus Leibeskräften, Benjamin Bruns gab tadellos den Steuermann – und das Publikum zeigte sich, trotz allem, gepackt und lautstark dankbar. (Noch am 5. 5. und 9. 5.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2013)

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