Musikverein: Mächtige Orchesterfantasie für Berlioz

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Tugan Sokhiev erwies sich erneut am Pult der Wiener Philharmoniker als einer der interessantesten unter den jungen Dirigenten.

„Mir scheint die Idee, Cello und Violine als Soloinstrumente zusammen, keine ganz glückliche“, schrieb Brahms' „teuerste Freundin“ Clara Schumann nach der Uraufführung seines Doppelkonzerts. Brahms hatte das Stück 1887 als Versöhnungsgabe für den Geiger Joseph Joachim komponiert, um die von Joachim aufgekündete Freundschaft wieder zu beleben. Erfolgreich. Clara Schumann sollte sich mit ihrer Meinung, das Werk hätte keine Zukunft, jedenfalls irren. Die größten Geiger und Cellisten haben es seither gespielt.

Dass das Werk auch bestens funktioniert, wenn die anspruchsvollen, aber nicht ausgewiesen virtuosen Soloparts mit ersten Musikern aus dem Orchester besetzt werden, bewies die sechste Soiree der Wiener Philharmoniker im Musikverein. Konzertmeister Volkhard Steude übernahm den Violinpart, Péter Somodari, seit 2012 Solocellist im Orchester der Staatsoper und der Philharmoniker, steuerte das Cellospiel bei. Geschmeidig, klangvoll und höchst präsent gab Somodari in diesem Duo den souveränen Ton an, dem Steude dann die lichte, fein geführte Violinstimme, bis zum hell aufstechenden Schlusston im finalen Vivace non troppo hinzufügte. Die Kollegen betteten die beiden auf schön feinherben Brahms-Klang, der unter Anleitung von Tugan Sokhiev am Pult stimmig ausgemalt wurde.

Herber Schmerz der Sehnsucht

Der junge Tugan Sokhiev dirigierte in dieser Soiree, die als Matinee am Sonntag im Konzerthaus wiederholt wurde, nur kurz nach dem letzten philharmonischen Abokonzert erneut die Philharmoniker. Und erwies sich als höchst interessante Persönlichkeit in der Riege der jungen Dirigenten. Vor allem die nachfolgende „Symphonie fantastique“ von Berlioz, anstelle der ursprünglich avisierten „Symphonischen Tänze“ von Rachmaninow, wurde zum passenden Demonstrationsobjekt für den 1977 in Nordossetien geborenen Dirigenten. Wie leicht wäre die Verführung gewesen, es plakativ, effektvoll und hohl tönen zu lassen. Doch Sokhiev ließ sich auf ein solches Spiel keine Sekunde ein. Viel mehr schien es ihm gemeinsam mit dem ausgezeichnet disponierten Orchester um ein Auskosten der orchestralen Raffinessen und Einfälle von Berlioz und eine dadurch ermöglichte farbenreiche und plastische Erzählung des programmatischen symphonischen Wurfs zu gehen.

So hörte man diesmal kein süßlich-liebliches Streichergewalze in der Ballszene des zweiten Satzes, sondern spürte deutlich den herben Schmerz der unerfüllten Sehnsucht. Sokhiev sorgte auch in der Abstimmung der Gruppen dafür, dass die Holzbläser besonders attraktiv zur ihrem Recht kamen. So gelangen selbst der Gang zum Richtplatz und die Sabbatnacht spannend, detailreich und nicht nur überwältigend dröhnend ausgemalt. Berechtigter Jubel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2013)

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