Oper in München: Ein Kreuz und viele offene Fragen

(c) Hans Klaus Techt
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Anja Harteros und Jonas Kaufmann waren die umjubelten Stars beim "Troubadour". Die Inszenierung wurde lautstark abgelehnt.

Ist „Il trovatore“ zu einem zentralen Werk dieses Verdi-Jahres geworden? Es hat den Anschein. Denn nach den Wiener Festwochen und ehe sich im Herbst die Wiener Volksoper dieses Vierakters annimmt, eröffneten die Münchner Opernfestspiele damit. In einer Inszenierung von Olivier Py, der deutlich mehr Ablehnung als Zustimmung für seine mit skurrilen Details überfrachtete Regie erhielt. Da nutzte es auch nichts, dass einer der Stars dieses Premierenabends, Jonas Kaufmann, Py persönlich auf die Bühne holte, ihm quasi vorweg den Rücken stärken wollte. Zu sehr hatte er mit seinen Ideen schon gespalten.

Als lyrischer Poet wird der über ein Theologie- und Philosophiestudium zur Kunst gestoßene Py im Münchner Festspielmagazin bezeichnet, es gehe ihm um eine „in sich geschlossene Geschichtsphilosophie“, um „eine Gesamtschau auf den europäischen Geist und sein Werden“, meint der französische Literaturwissenschaftler Timothée Picard. In Pys Münchner „Troubadour“ ist davon nichts zu bemerken. Vielmehr dominiert eine Skepsis, ob das Publikum das Sujet überhaupt verstehe. Entsprechend gefällt sich Py darin, die Schilderungen der Protagonisten übertrieben zu bebildern. So lässt er als eine Art Leitmotiv immer wieder Azucenas Mutter als Geist über die Bühne schreiten, bevölkert diese mit Puppen und unnötigen Kampfszenen, gibt Einblick in eine Geburt. Leonore bekommt das Gift von einem schwarz gekleideten Statisten, quasi als Bote der Totenwelt, überreicht, die Choristen treten in Ku-Klux-Klan-Gewändern auf.

Schmuckloses Bühnenbild. Dies alles in einem die Möglichkeiten der Drehbühne des Münchner Opernhauses gekonnt nutzenden, weit in die Höhe ragenden, die ganze Breite ausnehmenden, schmucklosen und in fahles Licht getauchten Bühnenbild: einem die verschiedensten Situationen suggerierenden, mehrfach gegliederten Bau, dessen Rückseite sich zu einer Waldlandschaft verwandeln lässt, mit deutlich hervorstechenden Rädern. Offensichtlich eine Metapher dafür, dass sich weder das Rad der Geschichte noch die Geschicke zurückdrehen lässt.

Auch das Kreuz spielt eine wesentliche Rolle. Sei es, dass es Graf Luna wutentbrannt auf seinen Knien zerbricht, Leonore damit von den Nonnen geschmückt wird oder das Bild des Scheiterhaufens dominiert, dessen Brand ihm aber sichtlich nichts ausmachen kann. Eine Anspielung, dass bei allem, was dem Menschen zustößt, die Kraft des Kreuzes unversehrt bleibt? Py führt diese Ideen jedenfalls nicht weiter aus.

Der „Troubadour“ sei unter den Opern Verdis einzigartig, sagte George Bernhard Shaw, er habe „tragische Kraft, ergreifende Melancholie, impulsive Energie und ein süßes und intensives Pathos, das nie seine Erhabenheit verliert“. Pys sprunghafte, vom Zwang der Originalität bestimmte Bilderwelt lässt davon nur wenig zu. Ein Glück, dass sich wenigstens so mancher der Darsteller davon nicht allzu beeindrucken lässt. Was ihnen die Regie an konziser Personenführung, an psychologischer Charakterzeichnung vorenthält, machen sie mit ihrer Bühnenpersönlichkeit ziemlich wett. Voran Anja Harteros als packende, ihr Schicksal erschütternd zeichnende Leonora: Leider absolviert sie ihren Part ziemlich ohne Italianità. Über solche verfügt auch der anfangs nervöse, schließlich zur erwarteten Form auflaufenden und entsprechend umjubelte Jonas Kaufmann als Manrico kaum.

Mehr tenorales als baritonales Timbre zeigte der überaus stimmkräftige Alexey Markov als Luna: Sein Blick galt mehr dem Dirigenten als der von ihm angeblich vergötterten Leonore. Selbst als er erfuhr, dass er seinen eigenen Bruder dem Tod überantwortet hat, wirkte er recht unbeteiligt. Kwangchul Youn gab einen untadeligen Ferrando, die aus Südafrika stammende Golda Schultz eine überzeugende Talentprobe als Ines, während es Elena Manistinas mit Zylinder auftretender Azucena nicht nur an Artikulationsklarheit und Tiefe mangelte. Mehr als einfühlsamer Begleiter denn als animierender Mitgestalter verstand sich Paolo Carignani am Pult des subtil agierenden Orchesters und der gut studierten Chöre.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2013)

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