Als „Attila“ zum ersten Mal in Wien über die Bühne fegte

Attila
Attila(c) ORF
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Verdis Frühwerk, ab Sonntag im Theater an der Wien, hat eine kurze, aber stürmische Geschichte in dieser Stadt.

Es war die Weihnachtspremiere des Jahres 1980. Am 21. Dezember ging erstmals in der Staatsoper eine Aufführung von Verdis Frühwerk „Attila“ über die Bühne. Fegte über die Bühne, sollte man besser sagen, denn der Hunnenkönig nahm Wien im Sturm. Erwartet hatten die meisten Opernfreunde wenig. Ein Stimmenfest, das ja, denn die Besetzung mit Piero Cappuccili und Nikolai Ghiaurov als die Gegenspieler Ezio und Attila ließ auf gewaltige vokale Eruptionen hoffen. Aber die Musik? 1846 uraufgeführt, gehört „Attila“ eindeutig zum Frühwerk Verdis. Und dass das Stück noch nie in der Staatsoper aufgeführt worden war, das hatte doch vermutlich einiges zu sagen... Dann war da aber Mara Zampieri. Ein Vulkan von einem Sopran, der in Sekundenschnelle mit geradlinig attackierten Spitzentönen Emotionen zur Siedehitze bringen konnte. Man hatte sie schon als Troubadour-Leonore gehört, vor allem aber an der Seite von Domingo in Mercadantes „Giuramento“. Da hatte sie sogar der stets explosiven Agnes Baltsa Paroli geboten – und man war der Meinung, man hatte ein besonders ausdrucksstarkes Beispiel einer vergessenen italienischen Oper entdeckt.

Nun aber „Attila“! Das war noch einmal ganz etwas anderes. Vom ersten Ton an eine Trouvaille: Verdis Partitur ist von ähnlicher Brisanz wie die zum unmittelbar danach komponierten „Macbeth“, schlägt also den braven Mercadante um Längen. Vor allem, wenn ein Dirigent das Orchester dazu animieren will, frühen Verdi mit demselben Engagement zu spielen wie Wagner oder Strauss. Giuseppe Sinopoli war von diesem Ehrgeiz beseelt, hatte die Stimmen der Musiker mit Tausenden von Vortragsbezeichnungen übersät, forderte Extremes.

Das hohe B musste wiederholt werden

Die Sänger ließen sich davon inspirieren; und bei der Gewittermusik im Prolog – Verdis erster großer musikalischer Naturschilderung – hatte die Betriebstemperatur des Publikums bereits den höchsten Pegel erreicht. Die Applaussalven stachelten zuletzt sogar Piero Cappuccilli dazu an, seine zündende Cabaletta, die er mit einem hohen B – einem für einen Bariton eigentlich unerreichbaren Ton – krönte, zu wiederholen. Es war das erste wirklich erzwungene „Bis“ in der jüngeren Wiener Operngeschichte – auf CD kann man es nachhören.

Wenn das Theater an der Wien also nun einen neuen „Attila“ herausbringt, knüpft es an eine kurze, aber stürmische Aufführungsgeschichte an. George Petean tritt in Cappuccillis Fußstapfen, Dmitry Belosselsky in jene von Ghiaurov. Lucrecia Garcia singt die Odabella, Nikolai Schukoff den Foresto. Es inszeniert Peter Konwitschny, was jedenfalls für Bühnendynamik sorgen wird.

Wer über Verdis Werk Genaueres erfahren will, ist mit einer Neuerscheinung gut bedient: Georg Titscher hat Verdis Biografie neu geschrieben – und zwar aus dem Werk heraus verstanden. Analysen aller Bühnenwerke führen uns auch durch das bewegte Leben des Meisters.

Premiere im Theater an der Wien: 7. Juli. Reprisen: 10., 13., 16. und 18. Juli.

Georg Titscher: Viva Verdi. Ein biografischer Opernführer (Amalthea Verlag)

Attila auf CD: Premiere Wien 1980. Livemitschnitt (Orfeo 601 032).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2013)

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