Eröffnung: Abreu ruft Festspiele auf, dauerhaft zu helfen

Der Gründervater des venezolanischen Musikprogramms schlägt vor, die Festspiele sollen mit der Unesco die Verbreitung von El Sistema vorantreiben.

Dass in Salzburg die Kunst gerühmt wird, versteht sich von selbst. Aber eine Hymne, wie sie Eröffnungsredner José Antonio Abreu am Freitag auf die Macht der Kunst sang, hat man hier lang nicht mehr gehört, sie ist auch untypisch für die europäische Gegenwart. Doch Abreu ist Venezolaner. „Die Hand Mozarts führt unsere Kinder und Jugendlichen“, verkündete er. Selbst die Ärmsten seien geistig reich geworden „dank der Präsenz Gottes inmitten ihrer Flöten, Harfen und Trompeten“. Wäre nicht das unglaubliche Lebenswerk des 74-Jährigen, seine Rede hätte unter den abgeklärteren Zuhörern wohl Schmunzeln bis Zynismus geerntet.

Sein Musikerziehungsprogramm, das heuer in Salzburg mit 14 Konzerten und über 1300 Musikern präsent ist, hat abertausenden, zum Teil aus den Slums kommenden Kindern zu einer Zukunft verholfen (u. a. dem heutigen El-Sistema-Dirigenten Gustavo Dudamel). Der Gründer beschwor Mozart und Mutter Teresa, Platon und Shakespeare, Orpheus und die Nike von Samothrake, um seinen leidenschaftlichen Glauben an die Zusammengehörigkeit von ästhetischer und ethischer Erziehung, von Schön und Gut zu stützen. Diese Schönheit sei „entwürdigt“, weil „des Guten und Wahren“ beraubt worden, sagte er, Künstler müssten die Einheit wiederherstellen.

„Schöne Seelen“ durch Musik

Das Zaubermittel dazu ist für Abreu die Musik. Seine Initiative hat bereits weit über die Nationalgrenzen ausgestrahlt, nun erhofft er sich Hilfe von den Salzburger Festspielen. Er schlug vor, sie sollten „in solidarischer Zusammenarbeit mit der Unesco“ die weltweite Verbreitung des Projekts vorantreiben. El Sistema ist für ihn weit mehr als Kunsterziehung. Es sei „eine gesellschaftliche Schule des Lebens“, die den Kindern eine „ganzheitliche humanistische Bildung der Persönlichkeit“ ermögliche, eine „Atmosphäre der Freiheit und echten Zuneigung“, die gepaart mit Leidenschaft und Disziplin große Leistungen ermögliche. Und Abreu beschwor sogar, ganz im Geist Schillers, ein Ideal, das man in Reden nicht mehr zu hören erwartet hat: die „schöne Seele“.

Aber das entscheidende Zitat entlieh er Shakespeare: „Der Mann, den nicht die Eintracht süßer Töne rührt, taugt zu Verrat, zu Räuberei und Tücken. Die Regung seines Sinns ist dumpf wie Nacht, sein Trachten düster wie der Erebus. Trau keinem solchen! – Horch auf die Musik!“

Zur Festspieleröffnung siehe auch Seite 27. Die gesamte Rede können Sie online lesen, unter www.diepresse.com/abreu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Salzburger-Festspiele

Festspiele: Jose Antonio Abreus Rede im Wortlaut

Mit dieser Rede eröffnete der 74-jährige Politiker, Ökonom und Musiker am Freitag die Salzburger Festspiele.
Klassik

Ein Plädoyer für musikalische Erziehung – nicht nur in Südamerika

Salzburger Festspiele. Das Teresa Carreño Youth Orchestra machte seiner Namenspatronin alle Ehre und erntete damit Jubelstürme.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.