Jüdisches Museum: Alle Augen auf Wagner, den Antisemiten

Wagner Antisemiten
Wagner Antisemiten(C) Jüdisches Museum
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Im Palais Eskeles kann man ab sofort studieren, wie sich Kunst und Lebensansicht des Bayreuther Meisters auf das wienerische Geistesleben der Zeit um und nach 1900 ausgewirkt haben. Eine ungewöhnliche Hommage.

Richard Wagner, der Antisemit, wird im jüdischen Museum gewürdigt. Das hat Methode. Denn unter den glühenden Wagnerianern finden sich seit Beginn der künstlerischen Laufbahn des Komponisten unzählige Juden – frenetisch applaudierend im Publikum, als Sänger auf den internationalen Bühnen, als Dirigenten in den Orchestergräben, auch im Bayreuther Festspielhaus. Der einzige Kapellmeister, den Wagner selbst wirklich favorisierte, war beispielsweise der „Parsifal“-Uraufführungsdirigent Hermann Levi.

Und das, obwohl das berüchtigte antisemitische Pamphlet über „Das Judentum in der Musik“ erheblich dazu beigetragen hat, den Antisemitismus in kultiviertesten Kreisen so richtig salonfähig zu machen. Dass Wagner selbst die einst unter dem Pseudonym „Freigedank“ publizierte Schrift für würdig befunden hat, unter seinem richtigen Namen in die „gesammelten Schriften“ aufgenommen zu werden, relativiert bis heute alle Kommentare, der notorische Bayreuther Judenhass sei erst nach des Komponisten Tod, durch die Aktivitäten seiner Witwe Cosima und seines Schwiegersohns Chamberlain wirklich ins Kraut geschossen.

Mit einer Ausgabe des „Judentums in der Musik“ hebt auch die Ausstellung im Wiener Jüdischen Museum an – wie ein roter Faden zieht sich die Scheidung in jüdische Wagner-Exegeten und deren antisemitische Widerparts durch die Räume der Schau. Künstler und Politiker, die in Wien auf Wagners Gedankengut aufgebaut und damit entscheidend den Gang der europäischen Geschichte beeinflusst haben, stehen solchen gegenüber, die von deren wütenden Attacken betroffen waren, aber an ihrer Treue zu Wagners Kunst stets festgehalten haben.

Von Hanslick bis Marcel Prawy

Bis in die jüngste Vergangenheit ziehen sich die rätselhaften, nur durch die Sogwirkung der Musik wirklich erklärbaren Fixierungen, die nichts von irgendwelchen „politischen“ Konnotationen wissen möchten. Die historische Spannung, die so entstand, hält die glänzend kuratierte Schau zusammen. Diese erinnert an Wagners Wiener Ära, in der Teile der „Meistersinger“ entstanden sind, an die Zusammenkünfte und „Zusammenstöße“ mit der Wiener Intelligenzia jener Zeit sowie an die Nachwirkungen über die von Meistern wie Alfred Roller und Gustav Mahler geprägte Wirkungsgeschichte – bis hin zu den Wagneriana nach dem Zweiten Weltkrieg, zu denen jüdische Autoren wie Hans Weigel oder der unvergessene, leidenschaftliche Wagner-Anhänger Marcel Prawy Entscheidendes beigetragen haben.

Wobei Wagner und Wien untrennbar auch mit dem Namen des schärfsten Kritikers verbunden sind, dem Rezensenten der „Neuen Freien Presse“, Eduard Hanslick, der den recht persönlichen Zugang des Meisters zur Frage des Judentums in den Satz zu fassen wusste: „Dass mich Wagner [...] in sein Judentum in der Musik geschmuggelt hat, das konnte mich noch weniger kränken. Wagner mochte keinen Juden leiden, darum hielt er jeden, den er nicht leiden konnte, gern für einen Juden“ – womit er ein Vorgänger des Wiener Bürgermeisters Lueger gewesen wäre, der bekanntlich dekretierte, selbst bestimmen zu können „wer ein Jud' ist“.

Also findet sich Lueger nebst antisemitischen Hetzern vom Format eines Lanz von Liebenfels in der Ausstellung mit derselben Berechtigung, mit der vis-à-vis etwa ein Konterfei Theodor Herzls zu betrachten ist – Kuratorin Andrea Winklbauer verweist angelegentlich darauf, dass Wagners Gesamtkunstwerkfantasien das gesamte Kunstwollen, ja nahezu sämtliche Kultur-Emanationen der Zeit um 1900 geprägt haben. Auch das kommt in der Ausstellung perfekt zum Ausdruck: Selbst Gustav Klimt, Wagner-Verehrer, und sein im wagnerianischen Denken konzipierter „Beethoven-Fries“ fehlen nicht.

Peter Altenbergs Devotionalienkult

Und manches zauberhafte Detail wienerischer Provenienz fehlt auch nicht: etwa ein kleines Wagner-Porträt, das einst im Graben-Hotel eine der Wände im Zimmer Peter Altenbergs zierte und das leider anders als so viele Jungmädchenbilder ohne persönlichen Vermerk des Poeten geblieben ist.

Wagner selbst darf sich im sorgfältig erstellten Katalog mit manch bemerkenswertem Zitat äußern. So meint er etwa zur wienerischen Geistigkeit der franzisko-josephinischen Epoche: „Nicht gern gäbe ich Österreich auf [...] durch die slawischen Stämme besitzt es die in Deutschland so fehlende Poesie der Wirklichkeit.“ Es kommt halt immer darauf an, welche Vorurteile man pflegen möchte ...

Die Ausstellungsarchitektur Bernhard Denkingers reagiert in sensibler Weise auf die atmosphärischen Gegebenheiten. Ob nun Samtvorhänge Wohnzimmerflair schaffen – apropos: Die „Briefe an eine Putzmacherin“ fehlen ebenso wenig wie die bissige Reaktion des Feuilletonisten Daniel Spitzer darauf –, oder ob es die rhythmische Taktung von Vitrinen tut, die zwischen sanft phrasierter Wellenbewegung und hartem Staccato unterscheiden; eine „Kunst des Übergangs“ paraphrasierend, die man durchaus lernen kann. Nicht zuletzt bei Richard Wagner...

„Euphorie und Unbehagen: Das jüdische Wien und Richard Wagner“, Jüdisches Museum Wien, Palais Eskeles, bis 16.März 2014.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2013)

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