„Alles Walzer“ ausgerechnet bei Wien Modern?

HARNONCOURT
HARNONCOURTAPA/HELMUT FOHRINGER
  • Drucken

Das Avantgarde-Festival bewies dem begeisterten Publikum Nikolaus Harnoncourts Knödeltheorie.

Unter dem Motto „Tanzmusik für Fortgeschrittene“ bat man elf Komponisten um kurze Beiträge zum Gebrauch auf dem Parkett, um sie an einem bunten Abend auch gleich praktisch zu erproben: Uraufführungen, durchmischt mit Klassikern der Strauß-Dynastie und älteren Anverwandlungen zwischen Korngold, Cerha und Schwertsik, dargeboten vom vielseitigen RSO unter seinem passend gut gelaunten Chef Cornelius Meister.

Das Aufbrechen althergebrachter Präsentationsformen zählt ja ohnehin zu den wichtigsten Themen zeitgenössischer Kunst. Letzte Woche etwa war bei Wien Modern zu erleben, wie Georges Aperghis in „Situations. Une convivialité musicale“ die Mitglieder des Klangforums Wien in einer Wohnzimmeratmosphäre musikalisch-szenisch interagieren ließ.

Nun rückte das animierte Publikum ins Zentrum: Die Tanzfläche im Großen Konzerthaussaal war im Nu voll. Kaum jemand ließ sich lange bitten, auch die Komponisten nicht, war doch zu rhythmisch stets eindeutig einladenden Klängen vom Tanzschulwissen bis zum Freestyle alles erlaubt.

Gleichzeitig wurde die sympathische Unternehmung zum empirischen Nachweis für Nikolaus Harnoncourts Knödeltheorie, die besagt, dass man nichts hinzugeben könne, was man nicht anderswo weggenommen habe. Je stärker das Tanzparkett frequentiert wurde, desto weiter entfernte sich der Abend vom Konzert und dessen hörfreundlichem Ambiente. So war, von den handfesteren Beiträgen abgesehen, oft nur zu erahnen, welch teils zarte Klänge da zwischen Plaudereien, Gläserklirren und unweigerlichen Bewegungsgeräuschen in Bedrängnis gerieten: etwa ein erotisch köchelnder Mambo (Arturo Fuentes), mondäne Elegance (Gerald Resch: „Bossa Nova Arabica“), ein dämonischer Walzer von Johanna Doderer, ein beinah klassischer und somit ironischer Lamourhatscher des Duos Hautzinger/Suppan („Standlicht“) – auf Ö1 am Neujahrstag 2014 wird die Musik wohl besser zu vernehmen sein.

Wien Modern bietet heute, Samstag, Johannes Kalitzkes Musik zum Stummfilmklassiker „Die Weber“ (1927); Sonntag musizieren „die reihe“ unter Christian Muthspiel Musik von Eötvös, Saariaho, Erste-Bank-Preisträger B. R. Deutsch u. a. (jeweils 19.30 Uhr, Konzerthaus). (wawe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.