Maestros Freude an der Malerei

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Wieder daheim nach langen Gastspielreisen, präsentierten sich die Musiker unter Andris Nelsons mit Haydn, Mendelssohn und Richard Strauss. Ein Heimspiel.

Zu den liebenswerten Gepflogenheiten im philharmonischen Leben zählt die Beschäftigung von Solisten aus den eigenen Reihen im Rahmen der Abonnementkonzerte. Diesmal ist Konzertmeister Volkhard Steude an der Reihe, der Mendelssohns Violinkonzert ohne jeglichen Anflug von eitler Virtuosengeste musiziert.

Sein Spiel ist ganz jenem unverkrampften, melodischen Wohllaut hingegeben, den der Komponist hier so großzügig verströmt. Selbst dort, wo Zurschaustellung technischer Brillanz immerhin möglich wäre (und wo kaum ein weltreisender Solist darauf verzichtet), bleibt Steude ganz Primus inter Pares und auf die klassizistische Formgebung des Werks konzentriert. Er macht Musik, keine Effekte.

Das lohnt ihm das Publikum mit lautem Applaus, dem Steude wiederum mit verhalten-schönem Bach-Spiel antwortete. Die philharmonischen Kollegen musizieren den Mendelssohn herzhaft mit. Dirigent Andris Nelsons lädt dazu ein und widmet sich uneitel-liebevoll der Modulation der Begleitstimmen. Hätte er diesen kapellmeisterischen Geist auch am Beginn des Vormittags über Haydns „C-Dur-Symphonie Hob. I/90“ schweben lassen, die Aufführung wäre zum geistvoll-beschwingten Einstand geworden. Doch droht Nelsons angesichts der Wiener Klassiker – wie zuletzt auch bei Mozart – immer die handwerkliche Contenance zu verlieren und reduziert seine Gestaltungskraft auf eine bemerkenswerte Variante von Fingermalerei.

„Von den Freuden und Leidenschaften“

Er zeichnet jeweils die führende Stimme pittoresk in die Luft, statt sich ordnend um das große symphonische Ganze zu kümmern. Der Effekt: Die Mittelstimmen und häufig auch der Bass bleiben gänzlich unbetreut ihrem Schicksal überlassen. Was klar und deutlich geschehen sollte, verschwimmt bald im Ungefähren. So dickt sich der Klang unziemlich ein, die Strukturen der Musik bleiben vage. Nur die Soli stechen – namentlich im Variationensatz – augenzwinkernd und mit Lust phrasierend hervor: Flöte und Oboe, die Solostreicher. Das setzt sich bis hin zum exzellenten Englischhorn-Solo im abschließenden „Zarathustra“ fort. Bei Richard Strauss' Tondichtung ist Nelsons in seinem Element. Hier muss man es ja nach des Komponisten eigener Aussage nicht immer so genau mit der Trennschärfe nehmen, hier darf, ja, soll auch pastosere Maltechnik ihren Platz haben.

„Freuden und Leidenschaften“ rauschen auf, und Volkhard Steudes Kollegin Albena Danailova manövriert sich in ihrem heiklen Soloauftritt blitzsauber durch die Walzerwogen des „Tanzlieds“.

Dass man die Orgel des Musikvereins neu gebaut hat, wirkt sich am Beginn des Werks, beim berühmt-berüchtigten „Sonnenaufgang“, höchst positiv aus: Da entwickelt das Instrument (von István Mátyás gespielt) seine ganze Strahlkraft.

Wiederholung: heute, Montag, 19.30 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2013)

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