Was Oper unseren Erben in 100 Jahren erzählt

Helmut Jasbar
Helmut Jasbar (c) Mischa Nawrata
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Helmut Jasbar hat für das Theater an der Wien und das Linzer Brucknerhaus Henry Purcells „King Arthur“ neu arrangiert: Bei ihm spielt die Artussage nach globalen Katastrophen – unter der Erde.

Es hat ihm keine Ruhe gelassen. Die erste Reaktion von Helmut Jasbar war: „Bist du verrückt geworden?“, die zweite: „Ich hab' mir's überlegt.“ Ausgelöst hat den Gärungsprozess zwischen spontaner Kundgebung und rationaler Entscheidung Heinz Ferlesch, Leiter der Wiener Singakademie, der den Musiker-Komponisten-Entertainer Jasbar um ein Arrangement von Henry Purcells „King Arthur“ bat.

Das war, zugegeben, ein kühnes Ansinnen, denn Purcell hat ziemlich vollkommene Werke hinterlassen, Kompositionen, die nicht erst der Originalklang-Renaissance bedurften, um im kollektiven Musikgedächtnis der Welt als bedeutende Wegmarken der Entfaltung des abendländischen Klanggeistes zu gelten. Dann aber doch: „Ich hab' mir's überlegt.“ Die Auseinandersetzung mit einem Meisterwerk des frühen Musiktheaters zählt für einen Erzmusikanten natürlich zu den besonderen Herausforderungen.

Schon die Form, die Librettist John Dryden und der Komponist gewählt haben, scheint dem hiesigen Opernfreund eine provokante Mischung aus Sprechtheater und Musik. Die berühmteste „Arie“ aus „King Arthur“ ist der sogenannte „Cold Song“. Ihn wussten sogar Popikonen wie Klaus Nomi in ihre Programme zu integrieren.

Jasbar und Ferlesch holen die Sagenwelt um König Artus nun in unsere Zeit, beziehungsweise sie versetzen den Mythos in die Zukunft und lassen ihn unter der Erde spielen. Die Horrorvision zeitgenössischer Kassandren ist eingetreten: Die Erde ist aufgrund globaler Katastrophen unbewohnbar. Die unterirdisch vegetierenden Verbliebenen finden eine alte Vinyl-Schallplatte – und bringen sie mittels eines Fahrrad-Dynamos zum Spielen. Was noch spielbar ist, hört sich an wie Purcell, den fehlenden Rest hat Helmut Jasbar „ergänzt“.

Das reizvolle Spiel um Zukunftsängste, Kulturverlust und Ahnungen vergangener Größe ereignet sich in der vorhandenen Dekoration der laufenden Opernproduktion des Theaters an der Wien. „Gottlob fanden wir da keine blühende Wiese vor“, sagt Jasbar, „sondern etwas, was durchaus wie ein Bunker von innen aussieht.“

Darin wickelt sich die konzertante, aber die Fantasie gewiss anregende Aufführung der Neudeutung des „King Arthur“ ab. Karl Markovic ist der lesende Erzähler. Zwecks Erläuterung der Handlung gibt es den Abt eines Ordens, der weiß, dass die König-Artus-Sage bei der Gründung seiner Gemeinschaft „vor 100 Jahren“ – also heute! – eine Rolle gespielt hat; und das Tagebuch eines Mädchens, das den „Untergang“ mit eigenen Augen gesehen hat und ihn zu beschreiben wusste.

Wer sich nun daran erinnert, dass Helmut Jasbar vor nicht allzu langer Zeit mit Katharina Straßer und Cornelius Obonya zur Endzeitrevue unter dem Motto „Keiner kommt hier lebend raus“ geladen hat, darf beruhigt sein: Auch damals ist man noch einmal mit heiler Haut und recht animiert davongekommen...

ZUR PERSON

Termine: 17.Jänner im Theater an der Wien, 21.Jänner im Linzer Brucknerhaus.

Helmut Jasbar, geboren 1962 in Wien, spielt Gitarre, komponiert (z.B. eine „Telefonkantate“ für sieben Musiker und Telefon oder ein Gitarrensolo namens „4 Miles 2 Davis“), produziert Platten und hält die Hörer von Ö1 mit klug moderierten Programmen bei Laune. Nun wird seine „King Arthur Seance“ aufgeführt. [ Theater an der Wien/Michael Nawrata]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2014)

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