Ein neuer Frühling mit klassischen Reminiszenzen

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Jorge E. López hat seine II. Kammersymphonie ergänzt: beeindruckend.

„A végsö Tavasz“ (frei übersetzt: „Ein letzter Frühling“) heißt die II. Kammersymphonie des 1955 in Havanna geborenen Jorge E. López. Er schrieb sie im Auftrag des Festivals „Wien modern“, des Klangforums und von Casa da Música, sie wurde in ihrer dreisätzigen Version 2010 in Wien uraufgeführt. Doch offensichtlich spürte er selbst, dass sich dieses auf weiträumige Spannungsverläufe angelegte Stück erweitern ließe: Als ihn das Collegium Novum Zürich einlud, weitere Sätze anzufügen, ließ er sich nicht lange bitten. In dieser Fassung wurde es 2011 in Zürich uraufgeführt. Nun brachte es das Klangforum Wien im Mozartsaal des Konzerthauses zur österreichischen Erstaufführung.

Die Besetzung des knapp einstündigen, fünfsätzigen Opus ist originell: Flöte, Saxofon, Horn, Kontrabasstuba, Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass, Klavier, Schlagwerk und Solostimme. Wie seine früheren Werke habe es nichts mit Neuer Musik zu tun, ließ Lopéz im Vorfeld wissen: Ihn fasziniere vor allem die Musik um 1900 wie der Surrealismus. Beeinflusst haben ihn auch frühere Richtungen: Das zeigt dieses immer wieder zu kräftigen Klängen und impulsiven Akzenten anhebende Stück. So finden sich im dritten Satz – der markant mit einem Glockenschlag beginnt – pointiert eingeblendete Zitate aus dem Stirnsatz von Beethovens Siebenter und Wagners „Walkürenritt“. Das Scherzo aus Mahlers erster Symphonie wiederum dient als eine Art Folie für den rasant immer wieder unterschiedliche Atmosphären ansteuernden vierten Satz, in dem die Singstimme – sie kam bereits im zweiten Satz, einer Art Walzer-Halluzination, kurz zum Einsatz – die instrumentalen Linien verstärkt, die Musik quasi zur Sprache bringt.

Hochkarätig: Das Klangforum

Gleichermaßen der Ostinatotechnik verpflichtet wie angeregt vom Mars-Satz aus Gustav Holsts „Planeten“ und von einer Passage aus Beethovens spätem Streichquartett Opus 132 präsentiert sich das Finale. Es ruft zudem die wesentlichen melodischen und rhythmischen Entwicklungen der ersten drei Sätze in Erinnerung. Wie in einer Geschichte, in der zum Schluss nochmals das Geschehene gerafft zusammengefasst wird. So lässt sich dieses bei allem epischen Ansatz durchaus kurzweilige, mit viel klanglicher Finesse und rhythmischen Überraschungen ausgestattete, klangmalerische Werk wohl am treffendsten charakterisieren: als sehr persönliche Rückschau auf Vergangenes, die zu neuen Reflexionen auffordert. Die hochkarätige Interpretation des Klangforums Wien und der ebenso exzellenten Sopranistin Eva Nievergelt unter der stets vitalen Leitung von Emilio Pomàrico machten das den Abend lang deutlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2014)

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