Uchida: Eine faszinierende Pianistin

Mitsuko Uchida
Mitsuko Uchida(C) Mitsuko Uchida
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Mitsuko Uchida spielte Schubert, und erstmals in Wien Beethovens Diabelli-Variationen. Poetisch, energisch. Ein großer Abend.

Beinahe wäre dieses Recital gar nicht zustande gekommen: Der Grippevirus hatte Mitsuko Uchida erwischt. Noch am Nachmittag war unsicher, ob das Konzert würde stattfinden können. Wenige Stunden später war davon nichts zu merken, mit solcher Energie stürzte sich die aus Japan stammende, in London lebende Künstlerin in das Programm. Noch dazu nicht in irgendeines, sondern ein besonders anspruchsvolles.

Fantasie oder Sonate? Schuberts G-Dur-Sonate D 894 ist beides. Ein weit ausgreifendes rhapsodisches Werk, das auch sonatenhafte Züge hat. Mit seinem dritten Satz, einem überaus straffen Menuett, schielt es in die Vergangenheit. Vor allem in den beiden Ecksätzen lässt es das für Schubert scheinbar unerreichbare Vorbild Beethoven durchblicken, an dessen Fährte er gleichwohl fortwährend zu neuen Ufern aufbricht. Diese Sonate ersteht nur dann in ihrer vollen Größe, wenn man bereits die mannigfachen Schattierungen des einleitenden Fantasiesatzes deutlich macht. Noch dazu im entsprechenden Tempo. Zu langsam angegangen, kann er langatmig wirken. Zu rasch musiziert, verliert er seine charakteristische Epik.

Kein Problem für Uchida. Vom ersten Takt an beeindruckte sie auf ihrem eigenen, von London nach Wien gebrachten Steinway mit einer vom irisierenden Pianissimo bis zum metallischen Fortissimo reichenden dynamischen Palette, spielte die Sonate mit ideal aufeinander abgestimmten Tempi in einem weiten, an Spannung nie erlahmenden Bogen. Allein für diese Modellinterpretation hätte sich dieser Abend gelohnt.

Doch dazu stellte Uchida im Musikverein – wo sie 1969 als 21-Jährige mit dem Gewinn des Wiener Beethoven-Wettbewerbs den ersten Grundstein für ihre Weltkarriere gelegt hatte – auch ihre Sicht von Beethovens nicht nur physisch kräfteraubenden Diabelli-Variationen vor. Ein Werk, das sich die Pianistin, welche die späten Beethoven-Sonaten so meisterhaft beherrscht, erst in den letzten Jahren erarbeitet hat. Trotzdem wirkte es, als hätte sie diese mit Bach- und Mozart-Reminiszenzen aufwartenden, zwischen Explosion und Tiefe changierenden „33 Veränderungen über einen Walzer von Anton Diabelli“ immer schon gespielt. So natürlich im Duktus und souverän in den Übergängen. Und wiederum mit einer Virtuosität und Kraft, die mitriss, und einer vielfältigen Farbenpalette, die faszinierte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2014)

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