Konzerthaus: Bachs h-Moll-Messe ohne Chor

Konzerthaus, Marc Minkowski
Konzerthaus, Marc Minkowski(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Marc Minkowski meint, dass Bachs Messe monumentaler wird, wenn zehn Solisten alles singen. Doch diese wirkten etwas verloren.

Warum hat Bach im Jahr vor seinem Tod aus Früherem, Neuem und Parodien alter Werke diese gewaltige, zweistündige Messe in h-Moll geschaffen? Die Forschung hat bis heute keine eindeutige Antwort. Das Werk wurde in der Familie Bach die „Große katholische Messe“ genannt, eignet sich wegen ihrer Dimension aber nicht für die Liturgie. Jüngst kam sogar die Vermutung auf, es handle sich um einen Auftrag von Adam von Questenberg für den Wiener Cäcilien-Verein. Wie auch immer, eine Aufführung stellt eine große Herausforderung dar.

Dieser stellte sich jetzt Marc Minkowski mit seinen Musiciens du Louvre Grenoble im Konzerthaus. Seine Bach-Auseinandersetzung hat er mit ebendiesem Opus summum schon vor Jahren gestartet. Davon zeugt eine Aufnahme aus dem Kloster San Domingos de Bonoval in Santiago de Compostela von 2009: Minkowski verzichtete auf einen Chor und ließ, so wie jetzt in Wien, zehn Solisten alles singen. Er nennt musikalische Gründe für die Entscheidung, ist überzeugt, dass die Musik dadurch an Monumentalität gewinne, wenn sich nicht Chormasse und Individuum gegenüberstehen, sondern ein einziges „Vokalinstrument“ alles gestaltet. Der Ansatz überzeugt. Auf der Aufnahme aus Spanien jedoch mehr. Im großen Konzerthaus-Saal wirkten die Solisten dann doch ein wenig verloren, und die Akustik ließ zu arg verschwimmen, was an Durchhörbarkeit und Schärfe durch die nur zehn Stimmen Effekt machen könnte. Auch waren die Sänger nicht durchgehend auf der Höhe der spanischen Besetzung.

Ergreifendes „Dona nobis pacem“

Die Absicht wurde dennoch deutlich, wenn Minkowski etwa für das „Qui tollis“ vier Stimmen verwendet und im „Cum Sancto Spiritu“ dann alle ihren Einsatz haben. Minkowski schlug für Kyrie und Sanctus insgesamt einen intimeren, introvertierteren Kurs ein, ließ dafür das „Sanctus“ umso prächtiger strahlen, stellte immer wieder Tempi kontrastreich gegeneinander, zeigte dabei einen Bach-Stil, der ins Runde, Geschmeidige tendierte. Von seinen Musiciens mit ihren herrlichen Flöten, Oboen und Fagotten, dem grandiosen Horn, den prächtigen Trompeten und den tollen Streichern wurde er perfekt unterstützt. Nach dem von Countertenor Terry Wey innig gesungenen „Agnus Dei“ atmete der Abend mit dem „Dona nobis pacem“ ergreifend aus: Da spürte man wieder die Größe dieser Messe.

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