Der „Parsifal“, uns „zum Heil gesandt“

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ARCHIVBILD: FRANZ WELSER-MOESTAPA/GEORG HOCHMUTH
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Wagners „Bühnenweihfestspiel“ in der Karwoche hat Tradition. Auch heuer gestaltet Franz Welser-Möst eine eindringliche Aufführung. Nur die Blumen welken.

Den traditionellen österlichen „Parsifal“ lässt sich Wiens Generalmusikdirektor nicht nehmen. Das ist gut so, denn gerade fürs Metaphysische hat Franz Welser-Möst eine gute Hand. Sein handwerkliches Geschick nützt er, um ganz unaufgeregt die Wiener Musiker zu Höchstleistungen anzuspornen.

Die wissen, was sie können. Und dass sie ihre Kunst unter der Führung des Hausherrn ungestört entfalten können. So entstehen gewaltige Steigerungen quasi aus dem Nichts. Vor allem die beiden großen Verwandlungmusiken werden so zu symphonischen Dichtungen von gewaltiger innerer Spannkraft – die nicht zu Ende ist, wenn die nächste Szene beginnt.

Wagners Kunst, weite architektonische Bögen zu entwerfen, findet im Wiener „Parsifal“ ihre ideale Entsprechung. Die Musik strömt aber auch dort, wo Lyrik, Verhaltenheit gefordert ist: Momente vom Format der Oboensoli an Beginn und Ende des „Karfreitagszaubers“, es erklingt wie in einem großen Atemzug modelliert, wird man von anderen Orchestern schwerlich geliefert bekommen.

Die Farbabmischungen, die Wagner gerade in dieser Partitur so fantasievoll und reich modifiziert, kosten die Musiker lustvoll aus – und schaffen damit dem Bühnengeschehen die reichhaltigste Klangkulisse. Die Hauptdarsteller fügen sich hier auch sensibel ein.

Das Geprügel der Walküren

Nicht so diesmal die Blumenmädchen, deren Auftritt den ätherischen Streichtremoli und Harfenarpeggien ein undifferenziertes Gebrüll entgegensetzte, wie man es lange bei dieser Gelegenheit an diesem Haus nicht mehr vernommen hat – als wären die Wagneropern durcheinandergepurzelt und die Walküren wollten plötzlich in der Prügelfuge der „Meistersinger“ mitmischen.

Ein bitterer Wermutstropfen, denn der Mittelakt hatte mit einem vom neuen Klingsor, Boaz Daniel, hintergründig ausgespielten Dialog mit der rätselhaft-faszinierenden Kundry Waltraud Meiers begonnen. Meier lief in der Folge zur Hochform auf: Die Verführungsszene präsentierte zwei Möglichkeiten musiktheatralischer Erfüllung. Man kann, wie die Meier, auch wissen, wo man ein wenig schwindeln darf, und doch eine Figur mit Haut und Haar und (beinah) allen vorgeschriebenen Noten auf die Bühne bringen. Oder man verfügt, wie Johan Botha, über konkurrenzlos strahlende Stimmkraft – und wandelt als „reiner Thor“ durch die immer noch spannende Regiearbeit von Christine Mielitz.

Deren Meriten nutzt auch Gurnemanz, Peter Rose, eher als dezenter, höchst wortdeutlicher Prediger, während Matthias Goerne, erstmals Amfortas, seine vokale Erzählkunst vom Liedgesang auf die Opernbühne holt: Wie er zwischen zwei Phrasen die Spannung aufrechtzuerhalten versteht, verschlägt dem Publikum mehr als einmal den Atem: Wagners Dramaturgie kulminiert in der Stille. Eine aufregende Erfahrung. (sin)

„Parsifal“ an der Staatsoper: 21. und 24.April

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2014)

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