„Ein Reigen“: Jeder mit jedem

Erotik-Karussell. Ashley Page (links) bittet Wally (Maria Alati) und Schiele (Mihail Sosnovschi) zum Tanz.
Erotik-Karussell. Ashley Page (links) bittet Wally (Maria Alati) und Schiele (Mihail Sosnovschi) zum Tanz.(c) Wiener Staatsballett/Barbara Pálffy
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Ein Spiel von Liebe und Tod: Das Ballett „Ein Reigen“ von Ashley Page und Ausstatter Antony McDonald in der Wiener Volksoper.

Ein scheinbar fröhliches Völkchen, diese Dichter, Maler, Komponisten, Essayisten, die man im Salon der Bertha Zuckerkandl oder im Café Central trifft. Künstler eben, die da samt ihren Musen und süßen Mädeln im Kreis tanzen, sich immer wieder neu paaren und nicht sehen, dass der Tod mit ihnen tanzt. Kräfteraubend und abwechslungsreich ist dieser unaufhörliche Reigen, den der Choreograf Ashley Page mit dem Wiener Staatsballett an der Volksoper inszeniert. In den komplizierten Verwicklungen und Verknotungen der Gliedmaßen, in den abrupten Hebefiguren und überstreckten Armen und Beinen, im Tanz auf extremer Spitze, kommt der Geist jener Zeit zum Ausdruck, die es Page und seinem Ausstatter Antony McDonald angetan hat: der Beginn des 20. Jahrhunderts in Wien. „Diese Zeit hat ein unglaubliches künstlerisches Potenzial hervorgebracht, die Heroen der Moderne haben sich hier versammelt. Und sie waren alle irgendwie miteinander verbandelt, samt den Frauen. In dieser Kette haben sich immer wieder kleine Ringe gebildet, dann ist der Kreis aufgebrochen und ein neuer Ring ist entstanden. Das passt doch wunderbar zu Wien mit der berühmten Ringstraße und im Hintergrund dreht sich das Riesenrad“, sagt Ashley Page. Der britische Choreograf und ehemalige Principal Dancer des Royal Ballet, ist zum Fan Wiens und des Fin de Siècle geworden. Nachdem er die Balletteinlagen für die zwei letzten Wiener Neujahrskonzerte choreografiert hat, fühlt er sich zu Hause. Als Manuel Legris ein Ballett zu einem Wiener Thema vorschlug, konnte er Page und auch Ausstatter McDonald sofort begeistern. „Wir hatten nicht gleich einen Plan, zuerst dachten wir an ,Geschichten aus dem Wiener Wald‘ oder etwas Ähnliches, dann haben wir uns auf die Zeit des beginnenden 20. Jahrhunderts konzentriert, weil damals in Wien eine unvergleichliche Kreativität vorhanden war. Diese Künstler haben das ganze kommende Jahrhundert geprägt. Auf einmal begann ein Reigen in mir zu tanzen und wir waren bei Schnitzlers Stück angelangt. Doch davon kommen nur zehn Personen vor, Legris wollte aber gern möglichst viele Tänzer auf der Bühne sehen. Die Herausforderung bestand also darin, dieses Schnitzler-Stück zu vergrößern. Da hatte Antony (McDonald) die geniale Idee, eine Art Porträt jener Zeit und der damals wirkenden Menschen zu machen. Als wir daran gingen, diese Leute und ihre Verbindungen genauer zu betrachten, sahen wir, dass dieser amouröse Reigen tatsächlich getanzt worden ist, im realen Leben von realen Personen.“

Vorbild „Eyes Wide Shut“. Für „Einen Reigen“ entwickelte Page für jede Figur eigenes Bewegungsmaterial mit Musik. So tanzen sie alle an, Gustav Mahler mit Alma, Schiele mit Wally Neuzil, das Ehepaar Arnold und Mathilde Schönberg und der unglückliche Richard Gerstl. Mehr als ein Dutzend Prominente treten zum frivolen Reigen an. Dazu kommen anonyme Gästen im Salon Berta Zuckerkandls, im Café Central, bei Festen und auf der Straße – Studenten, Damen der Gesellschaft, Gentlemen und Personal. „Aber das wird keine Geschichtsstunde und auch keine fortlaufende Geschichte, ich denke eher an den Film ,Eyes Wide Shut‘, den Stanley Kubrick nach Schnitzlers ,Traumnovelle‘ gedreht hat. Schnitzler hat sehr viel von der menschlichen Psyche verstanden und war auch mit Freud in Kontakt. So beruht der Kern des Balletts auf Fakten, doch als Mantel ist der Traum/das Träumerische herumgewickelt.“

Tipp

„Ein Reigen“. Ballett in zwei Akten, Uraufführung am 29. 4., Wiener Staatsballett in der Volksoper. Weitere Vorstellungen: 2., 26. 5.; 5., 20., 26., 29. 6. volksoper.at

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