Mühevoller Weg zum Liebesleid

"Hoffmanns Erzählungen"Staatsoper Wien
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Staatsoper: "Hoffmanns Erzählungen", fast durchwegs neu besetzt, weniger Wiederaufnahme als Generalprobe – mit Yosep Kang auf dem Weg zum romantisch gebrochenen Titelhelden.

Die erste Absage kam vor drei Monaten: Piotr Beczala, einer der bedeutendsten Tenöre seiner Generation, werde den Hoffmann nicht in sein Repertoire aufnehmen. Die Staatsoper kündigte daraufhin alternierend einen Veteranen und einen Hoffnungsträger an – doch kurzfristig musste auch Neil Shicoff absagen. Der Koreaner Yosep Kang, für die Proben längst anwesend, sprang in die Bresche und zog sein Rollendebüt vor – in einer fast rundum neu besetzten Wiederaufnahme von Offenbachs „Opéra fantastique“, die in Andrei Serbans detailverliebt-stimmungsvoller Inszenierung auch beim 84. Mal noch großen Eindruck macht.

Warten auf die Neurose.
Dass die Vorstellung dennoch nicht richtig in Fahrt kam, lag zumindest auch am fehlenden Gravitationszentrum auf der Bühne. Wer sich auf einen Shicoff einstellt, dem müssen herkömmlichere Rollenauffassungen vergleichsweise blass erscheinen: Antihelden, gebrochenen Figuren wie dem Hoffmann konnte er mit seinem unverwechselbar klagenden, oft expressiv greinenden Tenor ja stets ganz besondere, neurotisch eindringliche Konturen verleihen – auch wenn er dabei, Hand aufs Herz, aus allen Stilen Verismo machte. Kang verfügt dagegen über eine eher schlanke, wendige Stimme mit metallischem Kern und auch Schmelz, muss sich bei manch unangenehm liegender Passage etwas mühen, teilt sich die Kräfte aber klug ein. So kommt er ohne nennenswerte Probleme über die Runden, phrasiert mit Geschmack, pfeffert sogar ein paar eingelegte hohe Töne hinaus und macht spätestens im hymnischen Epilog das versoffene Genie auch darstellerisch glaubhaft.

Inspirierende Damen. Aber: Ein Liebesleid und Liebesfreud' mit jeder Faser durchlebender, durchleidender Hoffmann ist er (noch) nicht. Dabei hätten ihn manche Damen durchaus inspirieren können – ganz besonders Antonia in Gestalt von Marina Rebeka, deren heller, mühelos schwebender Sopran (trotz einer kleinen Prise Höhenhärte) schwärmerisch aufblühte. Und Daniela Fally, als Komödiantin noch besser denn als akkurater Koloraturautomat, legte sich für die Olympia eigene stratosphärische Verzierungsvarianten zurecht, mit denen sie für entsprechendes Entzücken sorgte – bei einem Publikum freilich, das oft nicht recht zu wissen schien, wann denn nun Applaus angebracht wäre und auch nach der Vorstellung den bekannt heftigen, aber kurzen Touristenjubel spendete.

Zu wahrer Jubelstimmung gab allerdings auch Ildar Abdrazakov keinen rechten Anlass, der mit in allen Lagen präsentem, aber etwas rauem Bass in den Bösewichtpartien zu brav und kumpelhaft wirkte: keine Spur von öliger Eleganz und Dämonie. Da wusste Thomas Ebenstein in den Dienerrollen mit markantem Charaktertenor mehr Verschlagenheit zu transportieren.

Der größte Hemmschuh aber war, dass Marko Letonja am Pult zu wenig ordnend eingriff und es oft, trotz Besserung im Laufe der Vorstellung, gehörig wackelte: Wenn der Chor schleppt und Orchestereinsätze schlingern, fehlt auch schönen Soli von Cello oder Klarinette der passende Rahmen.

FAKTEN

Vorstellungen mit Yosep Kang: 26.5. und 1.6. (HD-Liveübertragung via staatsoperlive.com).

Neil Shicoff soll am 29.5. Hoffmann sein.

Yosep Kang, an der Deutschen Oper Berlin v.a. zwischen Mozart und Verdi tätig, war in Wien 2002 als Almaviva in Rossinis „Barbiere“ in der Kammeroper zu hören. Nervenstärke bewies er bei seinem Staatsoperndebüt am 7.Dezember 2013 als Einspringer in Puccinis „Bohème“ an der Seite von Angela Gheorghiu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2014)

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