Schönbrunn: Klassik-Hype

Sommernachtskonzert 2014
Sommernachtskonzert 2014(c) ORF
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Die Popularisierung von Berlioz, Liszt und Richard Strauss gelingt mit Lang Lang auch unter Christoph Eschenbach. Fein.

Wiens Meisterorchester schenkt dem Publikum ein Konzert unter freiem Himmel. Man kann mittlerweile sicher sein: Bei dem jährlichen Klassik-Event sind Kälteeinbruch und Regenschauer garantiert. Das ist der Wetterprognosen-Aspekt.

Ebenso garantiert ist freilich der pädagogische Erfolg des Unternehmens. Frostigen Temperaturen zum Trotz harrten auch diesmal 40.000 Besucher im Schlosspark aus, bis zur traditionellen Zugabe, dem Strauß-Walzer „Wiener Blut“.

Der Rest des Programms galt diesmal aber dem Strauss mit Doppel-S. Der Geburtstag des Münchner Meisters jährt sich demnächst zum 150. Mal. Das reizte die philharmonischen Programmplaner zu einer weitaus riskanter scheinenden Musikfolge. Zuletzt huldigte man gern einer kunterbunten Listener's-Digest-Ästhetik – und nun zeigt sich: Die Massen lassen sich auch durch anspruchsvollere Klänge nicht von ihrem Schönbrunn-Besuch abhalten.

Richard Strauss galt ja in jungen Jahren – ganz anders als die älteren Wiener Sträuße – als Avantgardist. Mit seinen Tondichtungen wurde er zum Ahnvater der musikalischen Moderne. Er berief sich dabei auf Vorgänger wie Hector Berlioz und Franz Liszt.

Aufbruch in die Moderne

Das wollte man mit dem dramaturgischen Bogen des diesjährigen Galakonzerts auch hörbar machen. Orchestral virtuos und wirklich zukunftsweisend Instrumentiertes aus „Benvenuto Cellini“ von Berlioz sowie die stürmisch-bildhafte Geschwindigkeitsorgie von Liszts „Mazeppa“ demonstrierten, wie pittoreske Szenenfolgen mit klingenden Metaphern umgesetzt werden können.

Schade, dass Barbara Rett bei der TV-Übertragung so wenig Zeit für eine entsprechend ausführliche Moderation gegeben war: Ein paar Worte mehr über den „Handlungsverlauf“ der „Mazeppa“ und später auch bei Richard Strauss' „Till Eulenspiegel“, und es wären vermutlich auch mehr Zuschauer im Patschenkino dabeigeblieben: Da hört man ja Abenteuer- und Schelmengeschichten von einer Qualität, wie sie das Fernsehen ansonsten nur selten zu bieten hat!

Wie auch immer: Der erzieherische Effekt solcher Veranstaltungen ist nicht hoch genug zu bewerten. Viele Menschen, die den Musikverein höchstens via TV am Neujahrsmorgen von innen gesehen haben, kommen bei dieser Gelegenheit wohl auf die Idee, dass die viel gescholtene und ach so teure Klassik doch eine schöne und jedenfalls erhaltenswerte Sache ist.

Balanceübungen gefragt

Womit schon viel gewonnen ist. Man soll die Dinge, die zu solchen Erkenntnissen führen, auch nicht auf die Goldwaage legen. Vielleicht ist die klangliche Balance, die Maestro Christoph Eschenbach bei den Philharmonikern erreicht, im Konzertsaal ganz anders, vorteilhafter für die gespielten Stücke austariert, als sie aus den Lautsprechern zu vernehmen war.

Das wäre fein. Noch feiner wäre es, wenn sich Orchester und Dirigent auch bei Tempo und Rhythmus besser zusammenfänden: An diesem Freiluftabend (das konnte wirklich nichts mit den Lautsprechern zu tun haben) wackelte und verschwamm die musikalische Struktur zuweilen bedrohlich.

Mit diesem Strauss auf Reisen?

Nun geht man zum Strauss-Jubiläum auf Tournee. Da wären die Daheimgebliebenen stolz, die Philharmoniker in besserer Form zu wissen. Abgesehen davon, ob sie sich freuen können, wenn ein Pianist wie Lang Lang der Strauss'schen „Burleske“ jeden Charme austreibt und sie herunterradelt wie danach zur Zugabe ein „Alla turca“, von dem man nicht behaupten möchte, es handle sich um ein Werk der sogenannten „Wiener Klassik“.

Sollte es sich um den Versuch gehandelt haben, den gleichnamigen Sonatensatz Mozarts zu interpretieren, wäre das ein Grund, den Übeltäter mindestens mit lebenslänglichem Schlossparkverbot in Schönbrunn zu belegen. Klassik aus Wien muss anders klingen!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2014)

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