Wagner und Verdi vertragen sich jetzt wieder

(c) Wiener Konzerthaus
  • Drucken

Ein fulminanter Abend der Mezzosopranistin Elisabeth Kulman mit dem Ensemble Amarcord im Wiener Konzerthaus versöhnte die Unversöhnlichen - zumindest für zwei launige Stunden.

„Verdi hat gewonnen“, kommentierte Tommaso Huber nach der Ouverture zu diesem ungewöhnlichen Abend im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses. Dabei ging es laut Programm zunächst um die „Prügelfuge“, und die steht ja bekanntlich in den Meistersingern. Aber so genau nehmen es die Musikanten des Ensembles Amarcord nicht. Um ihren Akkordeonisten herum absolvieren die Streicher Sebastian Gürtler, Michael Williams und Gerhard Muthspiel kühne Sprünge zwischen den Zeiten und Stilen.

Verdi konnte es ja auch nicht lassen und demonstrierte den Tedeschi am Ende seines „Falstaff“, mit wie viel Witz man das alte Formengut füllen kann. Verdis Fugenteile wirkten in Hubers Arrangement wirklich charmanter als jene von Wagner. Im Gegenzug schrieb Gerhard Muthspiel exzellente Arrangements der „Wesendonck-Lieder“ für sein Ensemble und umschmeichelt damit den herrlichen Mezzo Elisabeth Kulmans.

Nach ihrem Mahler-Album haben die Sängerin und die Herren von Amarcord nun die beiden bedeutendsten Opernmeister des 19.Jahrhunderts miteinander versöhnt; zumindest auf dem jüngsten CD-Programm gelang die Melange prächtig – und sie funktioniert auch im Konzertsaal, wie sich am Mittwochabend erwies.

Die Kulman singt Wagners „Tristan“-Vorstudien mit dem rechten melancholisch verschleierten Wohllaut – und serviert zwischendrin auch einige Gesänge aus dem „Italienischen Liederbuch“ des Wagner-Verehrers Hugo Wolf, und zwar mit einem Witz und vielen prägnanten inszenatorischen Pointen, die bei diesem Komponisten – anders als bei Wagner – durchaus am Platz sind.

Verdi, brillant inszeniert

Verdi verträgt sogar noch mehr Aktion: Während Tscho Theisings brillantem Verdi-Bizet- und Johann-Strauß-Verschnitt „Exotenbonusmaterial“ absolviert die rasch in ein Zigeunerinnenkostüm geschlüpfte Kulman einen Auftritt als tambourinschwingende Azucena auf dem Balkon des Mozartsaals. Und das war gar nicht peinlich, wie solche Regiegags im Konzertsaal manchmal geraten, sondern fungierte als brillanter Abschluss der animierten Nummernfolge. Connaisseure staunten, dass Sebastian Gürtler inmitten des Programms auch noch das „Tristan“-Vorspiel nahtlos mit Musik von Anton Webern zu verbinden wusste. Wobei das Amacord-Arrangement des Wagner-Fragments von erlesener instrumentatorischer Finesse ist. Den Bruch zwischen der immer noch tonalen Zentripetalkräften unterworfenen „Tristan“-Musik und dem Webern'schen Experiment, in dem merkliche Grundtöne schon in alle Winde zerstoben sind, wurde von vielen gar nicht bemerkt.

„Sie haben den Webern vergessen“, merkte eine Dame nach der Pause an. Haben sie nicht, nur klingt halt schon Wagner ziemlich radikal. Die Hommage kam zwar, genau genommen, ein Jahr zu spät. Doch ein paar Takte aus Richard Strauss' „Heldenleben“ stellten die Uhr wieder richtig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.