Salzburger Pfingstfestpiele: Prinzentraum mit Seifenschaum

SALZBURGER PFINGSTFESTSPIELE: FOTOPROBE ´LA CENERENTOLA´
SALZBURGER PFINGSTFESTSPIELE: FOTOPROBE ´LA CENERENTOLA´(c) APA/SALZBURGER FESTSPIELE/SILVIA (SALZBURGER FESTSPIELE/SILVIA LEL)
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Rossinis „La cenerentola“ mit der glänzenden Cecilia Bartoli: Die Regie ist etwas überambitioniert, musikalischer Zauber fehlt weitgehend.

Happy birthday, dear Cecilia“: Als Kirsche auf dem Obershäubchen aus frenetischem Jubel, der allen Beteiligten zuletzt entgegenschallte, huldigten Orchester, Ensemble und auch das bestens gelaunte Publikum dem angehimmelten Fixstern am Salzburger Pfingstfirmament auch noch mit einem (um einen Tag verspäteten) Geburtstagsständchen zum 48er – eine Zahl, die man der Bartoli, die seit 2012 zudem künstlerische Leiterin der Pfingstfestspiele ist, auf der Bühne nie anmerkt. Mögen auch manche ihrer unverwechselbar gurrenden, virtuos durch alle Lagen hin ausgespannten Koloraturketten wie gewohnt etwas nach heißer Luft klingen, heizt diese doch ein inneres Feuer an, dessen Lodern für mehrere Kollegen reichen würde: Mit stupender szenischer und vokaler Energie erweckt sie nun eine ihrer frühen Glanzpartien, nämlich Gioachino Rossinis geplagtes Aschenbrödel zu neuem, zeitgenössischem Leben.

Das muss sie hier in einem heruntergekommenen Imbissladen fristen, der sich für das Fest bei Hof mit etwas ächzender Technik in einen neonstrahlend-schicken Club namens Palace verwandelt (Bühne: Paolo Fantin). Bewaffnet mit Kopftüchel, Schürze, Gummihandschuhen und Profiwischmopp führt Angelina einen heroinenhaften Kampf gegen Speisereste, Kaffeeflecken und sonstigen Mist sowie die Gemeinheit ihrer Familie – und droht hier wie dort zu unterliegen: Vom Stiefpapa empfängt sie etwa eine saftige Watschen, weil dessen White-Trash-Töchter zum Shoppen Geld aus der Kassa stehlen und ihr die Sache in die Schuhe schieben...

Gottlob fällt da schon zur Ouvertüre in einer Filmprojektion jener Meister vom Himmel, der auf clevere Weise Abhilfe schafft: Alidoro ist hier nicht prinzlicher Erzieher, sondern fungiert als Puck und Amor in Personalunion, greift in stückgerechten Verkleidungen oder in der zur Poltergeistszene ausgebauten Sturmmusik überhaupt unsichtbar in die Handlung ein und sichert deren guten Ausgang für Angelina, die natürlich verzeiht – aber nicht, ohne zum Finale erst einmal alle zur Putzkolonne abzukommandieren.

Der Prinz als Popstar

Das ist die mit Gaudium aufgenommene Schlusspointe von Damiano Michielettos Inszenierung. Dieser hat merklich Probleme, bei seiner überaus fantasievollen, auch technisch aufwendigen „Cenerentola“ Maß und Ziel zu finden: Dass er den Prinzen zu einem (hier vom Staatsopernchor) umschwärmten Popstar macht, passt zum Ambiente, reduziert aber das in der Story mitverarbeitete soziale Gefälle zur simplen Frage nach wenig oder viel Geld, und durch die zahlreichen, zumeist mit Geschick angebrachten, durchaus nicht bloß neuartigen szenischen Gags überwuchert die reine Buffa jene gefühlvoll-romantischen Zwischentöne, die die Partitur adeln – und die auch Jean-Christophe Spinosiam Pult nicht so recht auskostet.

Großartig immerhin, wenn Bartoli mit Witz und Herz die Putzfrau durch derb-klagende Tongebung vom edlen Klang der Prinzessin in spe absetzt. Merkwürdig auch, dass Michieletto bei so viel augenzwinkernder Sozialsatire erst recht wieder jene Zauberkräfte ins Stück holt, die einst der Librettist Jacopo Ferretti im Einverständnis mit Rossini bewusst eliminiert hat: Ein Märchen bleibt die Geschichte ja dennoch.

Schade freilich, dass gerade der musikalische Zauber etwas spärlich bei dieser Eröffnungspremiere der Pfingstfestspiele ausfiel. Neben Bartoli konnte stimmlich in Wahrheit nur Javier Camarena bestehen, der den Prinzen Ramiro mit strahlenden Tenorphrasen und beinah zu siegesgewiss schmetternden Spitzentönen ausstattete. Aber dem Bass des als Alidoro munter über die Bühne wetzenden Ugo Guagliardo fehlte der markige Kern, und Nicola Alaimo (Dandini) sowie Enzo Capuano (als Magnifico eine Art Italo-Mundl) boten mal mehr, mal weniger stimmkräftigen und präzisen Durchschnitt, während Lynette Tapia und Hilary Summers durchaus groteske Stiefschwestern porträtierten.

Auf kunterbunte gute Laune und klangliche Zuspitzung hatte es Spinosi im Graben angelegt – mit wechselndem Geschick: Sein etwas schmalbrüstig klingendes, aber sängerfreundliches Ensemble Matheus auf Originalinstrumenten traf nicht immer gleich alle Töne, immerhin aber den Tonfall, den Rossini vorgeschrieben hat – einige Späßchen der Continuogruppe miteingeschlossen.

Nochmals heute, Samstag, dann wieder ab 21.August bei den Sommerfestspielen (salzburgerfestspiele.at).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2014)

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