Wörthersee Classics: Wo sich Brahms und die Moderne entflammten

(c) EPA (Andy Rain)
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Das Kärntner Frühsommer-Festival strahlte heuer erstmals nach Wien aus. Ein neues, spielerisch-ernstes Violinkonzert erklang nach seiner Klagenfurter Uraufführung auch im Musikverein.

Das Projekt war ambitioniert. Man gab ihm wenig Chancen – nun hat „Wörthersee Classics“ die 13. Spielzeit hinter sich gebracht. Die Festival-Gründer Elena Denisova und Alexei Kornienko avisierten einen Konzertreigen, der sich auf das Schaffen jener Meister konzentrieren sollte, die am Wörthersee ihre Sommerfrische verbracht haben und dort zum Komponieren angeregt wurden. Im Falle von Johannes Brahms oder Gustav Mahler scheint das eine leichte Übung.

Schwieriger wird es schon bei Hugo Wolf. Und im Falle der Schönberg-Schüler Alban Berg und Anton von Webern will man kaum glauben, dass die Sache gelingen könnte. Obwohl jedem der Meister jeweils ein Tag von „Wörthersee Classics“ gewidmet ist, strömt das mehrheitlich aus Kärntner Musikfreunden rekrutierte Publikum auch zu den Kammerkonzerten, die als durchaus spröd gelten.

Natürlich programmieren Denisova und Kornienko auch um die Hauptkomponisten herum, sonst wären ihnen etwa die Webern-Stücke längst ausgegangen. Aber nebst Schwerpunktsetzungen wie heuer im Falle von Antonin Dvorák, dessen Musik sich wie ein roter Faden durch alle Programme zog, bietet man auch Neue Musik.

Heuer waren zwei Kompositionen aus der Feder des oberösterreichischen Neurochirurgen Alfred Huber zu hören, der auch Composer in residence des Wiener Concertvereins ist – der für die Auftragskomposition, eines neues Violinkonzert für Elena Denisova, dem Festival das ius primae noctis überließ. Huber, trotz fordernden Brotberufs alles andere denn ein Hobby-Komponist, ist für Kenner eine absolute Entdeckung.

Raffiniertes Spiel mit Erinnerungen

Seine Musik vermittelt zwischen traditionsverbundener Klanglichkeit und einem artistisch höchst verfeinerten harmonischen Balancegefühl, das durchaus die Position des Nachgeborenen verrät. Häufig klingt es in Hubers Musik, als ob sich da Analogien zur klassisch-romantischen Dur-Moll-Tonalität einstellen wollten. Sie stehen freilich immer in völlig neuen Zusammenhängen.

Was dieser Musik zu architektonischer Klarheit verhilft, ist die Verwendung von prägnanten motivisch-melodischen Gestalten und klanglich-farbigen Zeichen, die auch beim ersten Hören einprägsam sind und ihren Wiedererkennungswert beweisen. So lassen sich althergebrachte Formen neu definieren – und der Hörer kann die dramaturgischen Fäden mühelos entwirren. Mit dem jungen Furiant-Quartett stand für das Quartett II ein ebenso engagiertes Ensemble zur Verfügung wie für die Novität: Denisova und der Concertverein unter Kornienkos Leitung hoben das „Enigma“ betitelte Violinkonzert aus der Taufe, das nicht so rätselhaft klingt wie der Name suggeriert.

Im Gegenteil. In den raschen Sätzen gewinnt Hubers Musik manchmal die Energetik vergleichbarer Sätze von Schostakowitsch; zumal sich auch die exzellente Schlagwerkerin des Konzertvereins als ideale Partnerin der Violinsolistin erwies.

Das Kärntner Festival wartet im Übrigen auch immer mit spannenden Vorträgen auf. Heuer sprach der Musikologe und Dramaturg der Mailänder Scala, Garston Fournier-Facio, über die Begegnung zwischen Gustav Mahler und Sigmund Freud – und wie private Seelenkonflikte in Klängen hörbare werden können. Das fesselte auch manche Hörer der Klagenfurter Universität; und sichert „Wörthersee Classics“ vielleicht für die kommende Spielzeit (das Datum steht schon fest: 10. bis 14. Juni 2015) noch ein paar interessierte Konzertbesucher mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2014)

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