Das Orchester der Pariser Oper in Wien

Thomas Angyan
Thomas Angyan(c) APA
  • Drucken

Philippe Jordan: Der Symphoniker-Chef brachte sein zweites Ensemble – und brillierte mit Anja Harteros.

Es war, man glaubt es kaum, der erste Auftritt, den das Orchester der Pariser Oper im Wiener Musikverein absolviert hat. Dass Philippe Jordan ab September auch Chefdirigent der Wiener Symphoniker ist, animierte Musikvereins-Chef Thomas Angyan dazu, den Maestro auch mit seinem anderen Orchester vorzustellen. Und die Gäste demonstrierten auf beeindruckende Weise, dass sie den führenden Rang gegenüber den hierzulande öfter zu erlebenden Pariser Kollegen beanspruchen dürfen. In Sachen Klangkultur und Expressivität liefern die Musiker der Opéra absolute Spitzenqualität.

Vor allem haben sie sich ihre klangliche Eigenart bewahrt. Das ist angesichts der nivellierenden Tendenzen im Global Village die wichtigste Nachricht: Philippe Jordan, der bei seinen Auftritten in der Staatsoper und mit seinem künftigen Orchester bewiesen hat, wie gut er sich auf örtliche Gegebenheiten einzustellen weiß – und wie er sensibel aufnimmt, was ihm ein Ensemble an Kultiviertheit entgegenbringt –, reagiert auch auf die französische Orchesterkultur.

Das Opernorchester musiziert in seinem Kernrepertoire von Bizet (Symphonie in C) bis Ravel („Daphnis und Chloe“) punktgenau auf den Schlag und pflegt auch die Kunst der akkuraten Stimmentrennung liebevoll. Der hierzulande üblichen, butterweichen Phrasierung, dem Ineinanderfließen von Klängen stellen die Franzosen glasklare Strukturen entgegen.

Jordan kann auch damit souverän umgehen und modelliert auf diesem Wege ähnlich atemberaubende Steigerungsbögen, wie sie ihm mithilfe des wienerischen Mischklangs gelingen. Allein die ersten beiden Takte von Ravels „Lever du jour“ könnten als Lehrstück herhalten: Da stehen wirklich zwei völlig unterschiedlich gemixte Farbflächen nebeneinander – und doch erwächst aus solch beständigem Wechsel ein großer, in einem Bogen rauschhaft aufblühender akustischer Sonnenaufgang.

In der Kunst des Sängerbegleitens ist man ohnehin firm: Die Schlussszene aus dem „Capriccio“ von Richard Strauss geriet hinreißend schön: Anja Harteros verströmte ihren Sopran hingebungsvoll und artikulierte zudem vorbildlich textdeutlich – also vokal dem entsprechend, was das Orchester den ganzen Abend lang überzeugend tat. Ereignishaft. (sin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.