Bruckner-Zyklus in Salzburg: Der „coole“ Beitrag

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Herbert Blomstedt übernahm vom erkrankten Riccardo Chailly die
philharmonische Achte Symphonie.

Sämtliche Symphonien Anton Bruckners erklingen heuer bei den Salzburger Festspielen. Enzyklopädisch hat man sich dem Giganten der spätromantischen Symphonie im Festspielhaus noch nicht genähert. Doch verzichtet man aus praktischen Gründen auf die Chronologie. Die Philharmoniker spielten nach der Vierten im „Vorprogramm“ am offiziellen Eröffnungsabend als Nummer zwei die Nummer acht. Herbert Blomstedt dirigierte. Er ist kein regelmäßiger Gast am Pult der Wiener und denkt daher auch gar nicht daran, sich irgendwie auf die philharmonische Spieltradition einzulassen.

Er gibt, wie er's gewohnt ist, Takt für Takt, oft Achtel für Achtel akkurat vor, wie zu musizieren ist. Ein derartiger „Dienst nach Vorschrift“ ist dem Wiener Orchester zwar wesensfremd, doch reagiert die neue Generation nicht mehr mit passiver Resistenz auf so viel Präzisionsgeist. Sie ist sogar bereit, auf jeglichen Verzögerungseffekt zu verzichten, der sich gemeinhin ergibt, wenn in wienerischer Tradition ein wenig „vorausgeschlagen“ wird, auf dass sich ein Akkord, ein Basspizzicato, ein Phrasenübergang weich und geschmeidig ins klangliche Umfeld fügen möge.

Gipfelsieg zwischen Beckenschlägen

Unter Blomstedt wird sozusagen „attacca“ gespielt. Dabei geht manches an Improvisatorischem, Fantastischem, Ahnungsvollem verloren. Dafür erlebt man eine präzis wie ein Uhrwerk abschnurrende Wiedergabe der Riesenpartitur. Manchem Connaisseur geht dabei spätestens am Beginn des Adagios die weit atmende Geste ab, das Vertrauen, dass Bruckners Musik, wenn man ihr ihre Geheimnisse lässt, uns mit mystischer Kraft weiter-, einem ungeahnten Kulminationspunkt entgegenträgt.

Blomstedt lässt die Musiker die architektonischen Versatzstücke ordentlich nebeneinanderschichten. Auch das ergibt in 25-minütigem Ablauf eine gewaltige Ansammlung von Klangblöcken. Und Momente wie der tönende Gipfelsieg zwischen zwei Beckenschlägen (oder auch schon die ganz natürlich wachsende, von Bruckner so genannte „Todesverkündigung“ im Stirnsatz) verfehlen ihren Effekt nicht. Großer Applaus daher am Ende. Im Salzburger Bruckner-Irrgarten des Sommers 2014 bleibt ja wohl auch noch Zeit für ein wenig Metaphysik. (sin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2014)

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