Carlo Bergonzi: Erinnerungen an den eloquenten Belcantisten

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Der italienische Startenor mit der beweglichen Stimme war der Star der New Yorker Met und der Arena von Verona. Er hinterlässt einen Schatz an exquisiten Opernaufnahmen.

Wenn je auf den Gesang eines Tenors das Wort „Elegance“ gepasst hat, dann auf seinen: Carlo Bergonzi. Der Bauernsohn aus dem Dorf Polisene bei Parma war der Mann der eloquenten, geschmeidigen Phrasierung, der seiner edelmetallisch gefärbten, ungemein beweglichen Stimme noch in der rasantesten Koloraturenschlinge jede erdenkliche Wendung geben konnte.

Bergonzi konnte singen. Das schreibt sich leicht und ist, auf allerhöchstem Niveau verstanden, ein Lob, das nur den wenigsten Vokalisten gespendet werden darf: Er beherrschte seinen Tenor mit einer Gewandtheit, die es ihm ermöglichte, in jeder Region dynamische Nuancierungen und farbliche Changements vorzunehmen.

Die Melodien entströmten seiner Kehle wie geölt. Wer ihn in seiner Glanzzeit erleben durfte (in Wien war er nach seinem Debüt in der Ära Herbert von Karajans nicht gerade häufig zu Gast), hätte angesichts der sicheren, frei klingenden Höhe nicht geahnt, dass die Karriere des Italieners als Bariton begonnen hatte!

Und das noch dazu in seiner engeren Heimat, in Parma, der gefürchteten Hochburg der Melomanen, die jeglichen Verstoß gegen die ehernen Gesetze des Belcanto mit heftigsten Attacken ahnden. Bergonzi galt vom ersten Ton an als stilsicherer Sänger, reüssierte mit höchst expressivem Verdi-Gesang (unter anderem als Rigoletto) und koloraturreichem Rossini (Figaro im „Barbier von Sevilla“).

Doch in der Saison 1950/51, da war er 26, debütierte er im höheren Stimmfach: In Bari hörte man ihn als Titelhelden in Umberto Giordanos „André Chénier“, also gleich in jenem heiklen Fach zwischen allen Stühlen, in dem Bergonzis Stimme dann über lange Jahre heimisch bleiben sollte.

Oper als eine Art luxuriöses „Hörspiel“

Ein Sänger für die Ansprüche des Regietheaterzeitalters war er, weiß Gott, nicht. Ein paar Schritte nach links, ein paar nach rechts – im Wesentlichen aber war sein Platz doch der an der Rampe.

Von dort aus trug er dank immenser vokaler Gestaltungskraft die Fantasie seiner Hörer in jedes ersehnte Gefilde. Wer nachhören möchte, was die Kunst dieses Sängers singulär machte, lausche dem Ulrica-Akt in Verdis „Maskenball“: Wie er da die Ensembles führt, wie er Schrecken und Lachen beredt ineinanderfließen lässt, das demonstriert die hohe, die höchste Schule des Operngesangs wie kaum ein Tondokument irgendeines anderen Tenors. Das waren die Kunstfertigkeiten, die den Enthusiasten in seiner Heimat Italien Jubelrufe entlockten: Mehr als zwei Jahrzehnte lang war Carlo Bergonzi einer der unangefochtenen Stars der Sommerstagione in der Arena von Verona.

Das war auch die Eintrittskarte für den Olymp jenseits des Ozeans: Ein Vierteljahrhundert lang war Bergonzi Fixstarter im Spielplan der New Yorker Metropolitan Opera. Mochte das Publikum den hohen Cs mancher Kollegen noch lauteren Tribut zollen: Für die Fachwelt war Bergonzi der Tenor aller Tenöre. Sein Repertoire umfasste mehr als 60 Rollen. Man wird seine Aufnahmen als kostbare Lehrstücke belcantesker Fertigkeit in Ehren halten.

Carlo Bergonzi ist am 25.Juli 2014 im Alter von 90 Jahren in einem Krankenhaus in Mailand gestorben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2014)

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