Anna Prohaska, die Soldatin der Liebe

30 7 2014 Anna Prohaska Liederabend Salzburger Festspiele
30 7 2014 Anna Prohaska Liederabend Salzburger Festspiele(c) imago/Manfred Siebinger (imago stock&people)
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Die Meisterin der klugen Programme erwies sich, assistiert von Eric Schneider, an ihrem „Soldatenlieder“-Abend als firm in allen Sprachen und Stilen.

Niemand stellt so kluge, dramaturgisch ausgeklügelte Programme zusammen wie Anna Prohaska und Eric Schneider. Die beiden brillierten im Mozarteum anlässlich des ersten Liederabends des Festspiel-Sommers mit „Soldatenliedern“.

Zum Gedenken an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren sammelten sie passende Gesänge aus mehreren Jahrhunderten. Beginnend mit dem mittelalterlichen „Es geht eine dunkle Wolk herein“, von Heinz Kratochwil im Ausklang mit wenigen Klaviertönen in die Nähe von Schuberts „Leiermann“ gerückt.

Die „Winterreise“ in die eiskalten Gefilde der Propaganda- und Schlachtengesänge, die mit Beethovens „Klärchen“-Lied „Die Trommel gerühret“ anhebt, führt uns immer wieder auch in die Gefilde der Besinnung, der Trauer, vor allem aber aufs gefährliche Terrain doppelter Böden.

Wie oft wird in zackigen Marschrhythmen die Angst niedergetrampelt? Wie viel von Heinrich Heines notorischem Zynismus steckt noch in Robert Schumanns Vertonung der „beiden Grenadiere“? Es bedürfte gar nicht des Mienenspiels der Sopranistin, um nach ihrem nuancenreich durchartikulierten Textvortrag spätestens in der chromatischen Abschiedsgeste des Klaviernachspiels Zweifel aufkeimen zu lassen.

Vom Reichtum der Sprache

Die Prohaska singt diesmal nicht, wie das schon vorgekommen ist, in sieben oder acht verschiedenen Sprachen, sondern nur in vier. Aber sie singt, was viel wichtiger ist, in unzähligen musikalisch- und sprachlich-stilistischen Schattierungen. Die schließen, bei dieser programmatischen Gratwanderung unabdingbar, nicht nur bruchlose Verwandlungen von gradlinig-vibratoloser Tongebung bis zu sattem, dunkelfarbigem Wohlklang etwa für Rachmaninow ein, sondern kennen auch den satirischen Zungenschlag, der für den egomanischen, heimkehrenden Feldwebel Francis Poulencs nötig ist, der eher von seinen geschwollenen Füßen als von den Kriegsgräueln beeindruckt scheint.

Schuberts Innigkeit und Eislers Zwölfton-Kabarett-Ton, die brachiale Expressivität eines Wolfgang Rihm und die Fragilität von Mahlers „Wo die schönen Trompeten blasen“, Franz Liszts Grand-Opéra-Geste („Jeanne d'Arc au bûcher“ nach Dumas), Hugo Wolfs Selbstironie, schlichte Volksweisen – all das ist in diesem Programm in atemberaubender dramaturgischer Folge miteinander verbunden, aufeinander bezogen und gegeneinander ausgespielt.

Anna Prohaska und Eric Schneider gestalten ihr hintergründiges Kammermusiktheater berührend direkt, attackierend, dann wieder ganz resignativ – und sie bringen es fertig, mit Kurt Weill zuletzt über ein Rekrutierungslied zum tröstlich schönen Klagegesang für zwei Veteranen (beides nach Walt Whitman) zu gelangen; und den Abend nach viel Säbelrasseln und Leiderfahrungen mit dem Wort „Liebe“ ausklingen zu lassen. Das lässt niemanden kalt. (sin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2014)

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