Salzburg: Bekenntnisse nach Goethe

Christian Gerhaher
Christian Gerhaher(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Christian Gerhaher und Gerold Huber hinterließen mit Liedern von Schubert und Rihm tiefen Eindruck.

„Ein stiller Friede kommt auf mich, / Weiß nicht wie mir geschehn“, heißt es am Schluss von „Jägers Abendlied“ – innig, schlicht, ohne falsches Pathos. Wo Christian Gerhaher singt, sind Festspiele. Nicht Festspiele des breiten Pinsels und der großen Tableaus, ganz im Gegenteil. Dieser Meistersinger zeichnet mit seinem hochflexiblen, hellen Bariton die bedeutendsten Werke des Liedschaffens mit der Spitzfeder nach, in fein säuberlicher Präzision, stets deutlich und ungekünstelt, doch mit größtem Kunstverstand – mögen sie von Franz Schubert sein oder Wolfgang Rihm. Gemeinsam mit seinem großartigen Klavierpartner Gerold Huber gab er im Haus für Mozart einen Goethe-Abend, und die beiden können es sich leisten, den ganzen ersten Teil in lyrischem Grundton verharren zu lassen. Schicksale verwundeter oder schon wieder genesener Gemüter, die tiefe Weisheiten in sich aufspüren und erklingen hören, wurden reich differenziert und mit stupender Spannung aufgerollt: von fahler, fast gespenstischer Kargheit in Schuberts „Gesängen des Harfners“ über den poetischen „Nachtgesang“ bis etwa zum Fragment „Mahomets Gesang“, das einen Flusslauf (wohl als Metapher für das Genie) verfolgt und bei Schubert ausgerechnet dort abbricht, wo Goethe ihn in den Ozean eintreten lässt.

Melodien mäandern

Dazwischen zweimal Rihm, dem ein Festspielschwerpunkt gilt: Er verzichtet in seinen Goethe-Vertonungen oft auf große Umschweife oder Exaltationen, sondern versucht, den lebendigen Vortrag in geradlinige Musik zu gießen: Melodien mäandern zwischen tonalen Zentren, ohne je ganz in deren Gefälle zu geraten; einmal werden nur die Phrasenenden vom Klavier akzentuiert („Höchste Gunst“), einmal zerfällt der Text in stockende Glieder („Ein Wunder ist der arme Mensch geboren“), zuweilen gewinnt er wiegenden Fluss („Willst du dir ein gut Leben zimmern“, „Parabase“). Hier sind es glitzernde Akkorde, dort Kommentare, die das autonome Klavier beisteuert.

Die größte Nähe zu Schubert ergab sich zwanglos im rezitativisch konzipierten Monolog „Prometheus“ D674, den Gerhaher gallig scharfe Klage wider Zeus führen ließ. Die Fülle des Wohllauts kann auch er ausbreiten, tut es aber nie als Selbstzweck – dem misstraut er, kontrolliert ihn durch das Wort. Wenn man bei manch bloß schöner Stimmer zuweilen vergisst, wovon diese eigentlich berichten will, ist es bei ihm umgekehrt: Die Kantilenen gehen auf im Sinn, werden vom Ausdruck absorbiert – man vergisst eher, dass dieser begnadete Seelenforscher singt.

Für all das gab es nicht nur herzlichen Jubel schon zwischendurch, sondern zuletzt auf offener Bühne den Preis der Deutschen Schallplattenkritik aus den Händen der Juryvorsitzenden Eleonore Büning: ein großer Abend. (wawe)

Auf Ö1 am 20.8., 19.30Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2014)

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