Pollini, der singende Klavierpoet

Pollini und Thielemann musizieren Brahms
Pollini und Thielemann musizieren BrahmsORF
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Schon vor der Pause jubelte man: Maurizio Pollini spielte im Großen Festspielhaus in Salzburg Préludes von Chopin und Debussy.

Auftritte von Maurizio Pollini sind Fixpunkte großer Festivals. Selbst wenn er nicht mehr durchgehend über die technische Brillanz und virtuose Treffsicherheit seiner jungen Jahre verfügt. Der junge Pollini begeisterte auch durch zündende Vitalität der Deutung und unstillbare Neugier, nicht zuletzt an zeitgenössischer Musik. Das kam seinen Interpretationen klassischer und romantischer Musik zugute. Auch dabei interessierte ihn vor allem die Herausarbeitung von Strukturen, die größtmögliche Transparenz der Stimmen. Kantabilität schien dem seit seinem Sieg beim Warschauer Chopin-Wettbewerb 1960 bekannten Italiener weniger wichtig.

Das hat sich geändert. Schon als er begann, alle Beethoven-Sonaten in den großen Musikzentren zyklisch aufzuführen, zeigte sich ein Hang zur Poesie. Erst recht in den letzten Jahren: Pollinis Ton klingt runder, sein Faible für weite melodische Linien ist deutlicher ausgeprägt, wie er bei seiner schließlich sensiblen Darstellung der Chopin-Préludes demonstrierte.

Tempo im Dienst des Melos

Anfangs wirkte er nervös. Manche Sechzehntel-Passagen erstanden nicht immer mit der erwarteten Klarheit und Präzision. Spätestens ab dem h-Moll-Prélude hatte er zu seiner Form gefunden. Ab dann überzeugte sein Chopin durch differenzierten Anschlag, ideale Übergänge und eine überlegte, auf klare Zeichnung des Melos abgestimmte Tempodramaturgie. Wiederholt lenkte er den Blick auf sonst kaum beachtete Mittelstimmen.

Einheitlicher und stimmiger der Teil nach der Pause. So natürlich musiziert, mit so viel Stilgefühl, untrüglichem Geschmack und nuancenreich hört man den ersten Band der Debussy-Préludes – wie Chopins Opus 28 alles andere als Vorspiele, vielmehr in sich geschlossene, kostbare, unterschiedlichen Stimmungen und Ansprüchen verpflichtete Vignetten – selten im Konzertsaal. Erneut beeindruckte die breite dynamische Palette, mit der Pollini – trotz der bekannt schwierigen akustischen Verhältnisse des Großen Festspielhauses – aufwartete. Spannend mitzuverfolgen, wie er jeweils aus subtil modellierten Details die großen, narrativen Bögen in Debussys komplexen Partituren entwickelte. Zudem ließ er sich von den schillernden Harmonien dieser Stücke wiederholt zum Mitsingen verführen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2014)

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