Feuriger "Neunziger": Georges Prêtre feiert am Pult - in Wien

(c) EPA (GEORG HOCHMUTH)
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Nach einer Beinverletzung konnte der französische Dirigent Georges Prêtre wenige Tage vor seinem 90.Geburtstag das Spital wieder verlassen und feiern. Mit „seinen“ beiden Wiener Orchestern möchte er im Herbst musikalisch jubilieren: Im Musikverein erklingen Beethoven, Schubert und Strauß.

Immer charmant und künstlerisch höchst explosiv – dass Georges Prêtre dieser Tage 90 Jahre alt wurde, will man als Musikfreund nicht glauben. Von seiner Energie hat der Maestro noch immer nichts eingebüßt; dass er zuletzt (im wahrsten Sinne des Wortes) ein wenig leisertreten musste, hatte mit einem fatalen Sturz zu tun, der ihn wegen eines lädierten Beins ins Spital rekommandierte. Doch wenige Tage vor seinem Jubeltag durfte der Künstler wieder nach Hause.

Dort, in seiner prächtigen Residenz in Südfrankreich, feierte er dann im Kreis seiner Familie und der engsten Freunde. Und er ist, so berichten Gäste der Zelebrität, guter Dinge, sein Gehvermögen so weit zurückzuerlangen, dass er zumindest drei große Konzertprojekte in den kommenden Monaten wahrnehmen kann.

Gleich zwei davon werden Prêtre nach Wien führen, in die Stadt, in der er nach langer Tätigkeit als dirigierender Weltenbummler doch ein wenig sesshaft geworden ist. Zwar, eine Chefdirigentenposition konnte man ihm auch hierzulande nicht schmackhaft machen. „Verloben, ja. Heiraten, nie!“ war und blieb seine Domäne für die musikalische Karriere. Im wirklichen Leben ist er seit weit mehr als einem halben Jahrhundert glücklich verheiratet.

In Wien unterhält er freilich „Verhältnisse“ mit beiden großen Orchestern – den Philharmonikern wie den Symphonikern. Und das ist, wie man hierzulande weiß, eine absolute Ausnahme.

„Ehe“ mit zwei Orchestern in Wien

Dass ein Künstler, der als „heimlicher Chef“ – auf dem Papier war er stets „nur“ der „Erste Gastdirigent“ – der Wiener Symphoniker einmal ein Neujahrskonzert der Philharmoniker dirigieren und von diesen zu einem ihrer bevorzugten Maestri gekürt würde, obwohl er nicht daran denkt, seine Beziehungen zu den Symphonikern jemals abkühlen zu lassen, das ist ein wienerisches Phänomen.

Und es ist nur mit dem umwerfenden Temperament und der gewinnenden Aura Prêtres zu erklären, dass die parallel geführten Partnerschaften bis heute andauern.

Es spricht, so hört man aus Frankreich, allerhand – vor allem der geballte Wille des Jubilars – dafür, dass er sich im Herbst in Wien einfinden wird, um zunächst mit den Symphonikern zwei Aufführungen von Beethovens Neunter Symphonie vorzubereiten, die für 8. und 9.Oktober im Musikverein vorgesehen sind. Luba Orgonasova, Michaela Selinger, Steve Davislim und Robert Holl sind als Solisten angesetzt.

Am 19.Oktober steht dann (um 15Uhr im Rahmen des „Soireen“-Zyklus) ein Sonderkonzert der Wiener Philharmoniker auf dem Programm im Goldenen Saal. Franz Schuberts Zweite Symphonie und ein Gemisch aus Polkas und Walzern, die man als „halbes Neujahrskonzert“ bezeichnen könnte. Immerhin: Zweimal, 2006 und 2008, stand Georges Prêtre als erster Franzose am 1.Jänner am philharmonischen Dirigentenpult. Auch daran erinnert man sich immer wieder gern. Nicht nur in Wien: Das Konzert wird, wenn alles gut geht, am 15.Oktober bereits in der Mailänder Scala zu hören sein, wo man die vielen elektrisierenden Opernabende unter der Leitung dieses Interpreten nicht vergessen hat.

So führt denn auch ein weiteres Projekt den Künstler noch einmal an die Scala: Mit dem dortigen Orchester möchte Prêtre im April 2015 noch Anton Bruckners Achte Symphonie einstudieren. Man sieht: Das österreichische Repertoire, das ihn sein Lebtag fasziniert hat, lässt ihn nie mehr los. (sin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2014)

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