Hagen-Quartett + Widmann + Mozart: Mehr Musik geht nicht

(c) Salzburger Festspiele - Marco Borrelli - Lelli
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An einem herausragenden Kammermusikabend zeigte das um den Klarinettisten ergänzte Streichquartett, wie weit man die eigene Interpretation noch verfeinern und zuspitzen kann.

Wie würde man einem Außerirdischen – von der möglichen Sprachbarriere einmal abgesehen – erklären, was Musik ist? Was es damit für eine Bewandtnis hat? Nun, man schleppe ihn in ein Konzert des Hagen-Quartetts mit dem Klarinettisten Jörg Widmann und hoffe, dass Mozarts Stadler-Quintett auf dem Programm steht, wie am Dienstag im Salzburger Mozarteum. Hagen + Widmann + Mozart: mehr Musik geht nicht.

Die Frage, ob denn die Darbietung von zwei durchaus gängigen Stücken (Klarinetten-Quintette von Mozart und Brahms), die noch dazu in dieser Besetzung schon zu hören waren, noch den Festspiel-Gedanken des Besonderen, Einzigartigen erfüllt, wie ihn ja gerade Salzburg für sich reklamiert, erscheint nach diesem Konzert geradezu absurd, war doch exemplarisch zu fühlen, wie erst die intensive Beschäftigung derselben Musiker mit denselben Werken einzigartige Resultate ermöglichen kann.

Die Hagens und Widmann haben ihre schon zuletzt recht melancholische Lesart von Mozarts einzigem Klarinetten-Quintett noch einmal deutlich zugespitzt, als hätten sie den Schubert nachgesagten Satz „Kennen Sie fröhliche Musik? Ich nicht“ als Motto darübergesetzt. Das begann schon bei den agogischen Feinheiten, mit denen vor allem Geiger Lukas Hagen auch oberflächlich positiv wirkenden Passagen fast unmerklich einen Schleier des Zweifels und der Zweideutigkeit überzog. Da erscheint ein Gedanke zuerst in Dur in der Violine, wird dann von der Klarinette in Moll gewendet, und dies wirkt plötzlich nicht mehr als Kontrast, sondern als ganz natürliche Konsequenz.

Lachen, um nicht weinen zu müssen

Wie schön wäre es, sich im zweiten Satz einfach von Widmanns Ton einlullen zu lassen. Man kann aber auch staunen, wie die fünf Musiker dieses Larghetto unter permanenter Hochspannung halten, trotz, nein, wegen ihres filigranen Zugriffs, jeden Ton wie ein rohes Ei hegend. Musikalische Energie hat eben keineswegs ursächlich etwas mit Lautstärke zu tun. Und ein scheinbar beschwingter Abschluss kann durch das, was da vier Sätze lang vorausgegangen ist, in sein Gegenteil verkehrt werden. So bekommen diese Schlusstakte einen verzweifelten „Lachen, um nicht weinen zu müssen“-Charakter.

Es gäbe geringere Kontraste als zwischen Mozart und Brahms, doch dessen h-Moll-Quintett erscheint bei den Hagens und Widmann als natürlichste Fortschreibung von Mozarts Werk. Freilich, die Energie schlägt sich bei ihrer Brahms-Interpretation vermehrt auch im Volumen nieder, die Schärfen des Brahms'schen Streichersatzes werden konsequent herausgearbeitet – aber am Ende ist es doch ein Eindruck von Nähe, der zurückbleibt. Wiederum gelingt den Musikern ein berückender zweiter Satz, zwischen Verzweiflung und Trost oszillierend, und wie nebenbei legen sie frei, was Brahms hier harmonisch gelungen ist. Kammermusikalische Festspiele, einmal mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2014)

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