Ein perfekter Vormittag: Jubel für Mariss Jansons

(c) EPA (Herbert Pfarrhofer)
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Schostakowitsch, Ravel und Rihm, meisterlich interpretiert: Das Königliche Concertgebouw-Orchester unter seinem Chefdirigenten bescherte dem Publikum eine fulminante Matinee im Großen Festspielhaus. Nur Soloviolinist Leonidas Kavakos enttäuschte.

Wohl zum letzten Mal gastierte Mariss Jansons am Sonntag als Chefdirigent mit seinem Koninglklij Concertgebouworkest bei den Salzburger Festspielen. Nach der kommenden Saison gibt er diese Position auf, um sich ganz auf seine zweite Chefaufgabe beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks konzentrieren zu können. Schon gibt es Gerüchte, wer ihm in Amsterdam nachfolgen könnte. Zuvorderst wird Daniele Gatti genannt, aber auch Namen wie Antonio Pappano oder Semyon Bychkov werden auf der Gerüchtebörse heftig kolportiert.

Leicht wird es der Nachfolger des charismatischen Letten Jansons nicht haben. Denn er hat seine Amsterdamer – wie übrigens auch seine Münchner – Musiker ganz an die Spitze geführt. Wiederholt sehen internationale Orchesterrankings, was immer man von ihnen im Detail halten mag, das Concertgebouworkest ganz oben. Zu Recht, wie sich auch bei dieser letzten Orchestermatinee der Salzburger Festspiele zeigte, die schon zur Pause frenetisch bejubelt wurde.

So auf den Punkt gebracht, gleichermaßen dem plastischen Detail wie der großen Linie verpflichtet, hört man Schostakowitschs symphonischen Erstling, sein genialisches Opus 10, kaum. Schade, dass Jansons im Juni dieses Werk nicht wie vorgesehen mit den Wiener Philharmonikern aufführen konnte. Ein Vergleich mit dieser Salzburger Darbietung wäre aufschlussreich gewesen. Sie zeichnete sich durch schier unglaubliche Perfektion und Tiefe aus. Zudem durch Übergänge, wie sie idealer, packender, einfach meisterlicher nicht sein könnten. Das gilt auch für die Tempodramaturgie.

Das war der stärkste Eindruck dieses Festspielvormittags, was angesichts der Qualität der Interpretationen der übrigen Werke beinahe ungerecht ist. Man muss lange zurückdenken, bis man sich an eine so mitreißende, sich von Takt zu Takt fulminant steigernde Darstellung von Ravels zweiter „Daphnis et Chloe“-Suite erinnert. Auch diese war garniert mit glänzenden solistischen Leistungen und charakterisiert durch eine klangliche Homogenität, die dem Orchestererzieher Jansons das beste Zeugnis ausstellt.

Auch beim Mittelstück zogen die Amsterdamer Musiker alle Register ihrer vielschichtigen solistischen, klanglichen und dynamischen Möglichkeiten. Die waren bei Wolfgangs Rihms 2009 komponiertem, mit elegant eingeblendeten Brahms- und Alban-Berg-Reminiszenzen gespicktem Sommerstück für Violine und kleines Orchester „Lichtes Spiel“ auch gefragt, um all die subtilen Finessen dieses kaum zwanzigminütigen Opus ideal auszudrücken. Gewidmet ist dieses im November 2010 in New York uraufgeführte Werk Anne-Sophie Mutter. Sie hätte den komplexen Solopart dieses konzentrierten, souverän unterschiedliche Sphären ansteuernden Satzes wohl ungleich technisch sauberer, klanglich delikater, auch mit subtilerem Animo musiziert als Leonidas Kavakos, der es diesmal auch an Brillanz einigermaßen fehlen ließ.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2014)

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