Musikverein für Steiermark: Die Natur, das Leben, der Tod

Mariss Jansons
Mariss Jansons(c) ORF (ALI SCHAFLER)
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Mariss Jansons und das Amsterdamer Concertgebouw Orchestra eröffnen die Jubiläumssaison mit Brahms und Richard Strauss.

Nach Laibach/Ljubljana (1794) und Wien (1812) ist der Musikverein für Steiermark (1815) der drittälteste der Monarchie. Zum Eröffnungskonzert der Jubiläumssaison 2014/15 war das Brahms-Violinkonzert, explizit auf Schönheit aus wie nur je ein klassisches Musikwerk, ein idealer Beginn. Inspiriert vom sommerlichen Naturfrieden um den Wörthersee gestaltet Brahms den Orchesterklang mittels mild abgeschatteter Farben.

Auf die versteht sich das Royal Concertgebouw Orchestra bestens: Man spürt die Nähe des Meeres, der lichtsatte Streicherklang wird nie kontinental pastos oder gar breiig, die Holzbläser tönen duftig-schwerelos, und Jansons zelebriert romantische Naturversenkung in ruhig ausschwingenden Wellenbögen. Geiger Leonidas Kavakos setzte zumindest im Kopfsatz eher auf kontrastierend-rhetorische Wirkung und zügige Tempi. Wirklich durchglühte Harmonie mit dem Orchester fehlte dadurch, man vermisste vor der Kadenz ein wenig „die letzte Süße im schweren Wein“. Das sensationell gespielte Oboensolo im langsamen Satz änderte das: In verinnerlichter Versenkung erklang das F-Dur-Naturgebet, das Finale: ein rhythmisch aufschäumender Triumph entfesselter magyarischer Verve.

„Aber das Leben schreit noch lauter als der Tod“, lautet eine vom Strauss-Enthusiasten Carlos Kleiber unterstrichene Weisheit im Buch eines indischen Lehrers. Man hatte den Eindruck, Jansons hätte sie sich als Motto für seine Interpretation von „Tod und Verklärung“ gewählt. Mit ihren drei gigantischen Auf-und-ab-Wogen nimmt die Tondichtung des jungen Genies verblüffend Ergebnisse der Nahtod-Forschungen von Elisabeth Kübler-Ross vorweg. So verwandelte die existenzielle Versenkung des Dirigenten in das Werk Musikalisches in klingende Lebenslehre: Deutlich wurde, wie viel mehr innere Sammlung, Konzentration und Kraft es braucht, um einen Höhepunkt überzeugend-gelingend abklingen zu lassen, als ihn aufzubauen. Musica magistra vitae – Entstehen und Vergehen gestaltet als eine Leben und Tod regenbogenweit überwölbende musikalische Phrase!

„Till Eugenspiegel“: Funkelnder Humor

Musste man sich vor der Pause Sorgen um die Tagesverfassung der Hörner machen, fegten diese zu Beginn des „Till Eulenspiegel“ die Bedenken virtuos hinweg und spornten so das Orchester zu einer burschikos-witzigen, federnd-funkelnden, maliziös-sarkastischen, drastisch-ruppigen, intrikat-verschmitzten, ironisch-gebrochenen, leichtfüßig-schlanken Deutung des Werkes an: ein humoristischer Hochgenuss! Den „Till“ unmittelbar nach „Tod und Verklärung“ zu hören, gab ihm darüber hinaus eine ungeahnte Tiefe, aus „todernst“ wurde so „lebendig-ernst“. Das gilt für den ganzen denkwürdigen Konzertabend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2014)

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