Musikfestival Grafenegg: Solisten vor den Vorhang

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Dem Orchester der Scala gelangen die "Vier letzten Lieder" von Strauss noch am besten, den Tonkünstlern "La Valse" von Ravel.

Mit dem Orchester der Mailänder Scala gastierte erstmals ein italienischer Klangkörper beim Grafenegg-Musikfestival. Nach den Wünschen der Veranstalter soll sich daraus eine Tradition entwickeln. Dann allerdings würde man sich das Orchester besser in Form wünschen, möglicherweise auch mit einem anderen Programm als diesmal im Wolkenturm. Dabei lässt sich gar nicht sagen, dass man ein Risiko eingegangen wäre, denn der international viel gefragte Dirigent Daniel Harding und die Mailänder Musiker kennen einander seit Jahren.

Lag es an zu wenig Probenzeit? Vielleicht auch am für die Mailänder Musiker ungewohnten Freiluftambiente? Gewiss nicht an der Wahl des Eingangsstücks. Kann doch kein Klangkörper mit der Verdi-Tradition der Filarmonica della Scala di Milano konkurrieren. Umso größer die Enttäuschung: So verwaschen und spannungslos hat man die Ouvertüre von Verdis „La forza del destino“ – in Zeiten eines Scala-Musikdirektors Riccardo Muti ein Glanzstück im Repertoire der Scala-Musiker – kaum in Erinnerung. Bei Mahlers Erster schienen Dirigent und Orchester erst im Finale wirklich zueinanderzufinden. Bis dahin plätscherte die Musik ziemlich oberflächlich dahin, begleitet von Ungenauigkeiten in allen Orchestergruppen, unerwarteten tonlichen Schärfen und nicht immer aus der Partitur nachvollziehbaren Tempowechseln.

Am überzeugendsten gelangen Richard Strauss' altersweise „Vier letzte Lieder“. Freilich hätte man sich eine vor allem kantablere Darstellung des Orchesterparts erwartet, damit eine feinfühligere Assistenz für die – für Christine Schäfer eingesprungene – Solistin Dorothea Röschmann. Auch wenn sie den Zenit ihrer Karriere schon überschritten hat, was sich vor allem in scharf angesteuerten Höhen zeigte, ließ sie mit ihrer durchdachten, aus den Textgehalt entwickelten Interpretation keinen Zweifel an ihrer fundierten Strauss-Kenntnis.

Nikolaj Znaider glänze bei Sibelius

Ehe die Wiener Philharmoniker unter Gustavo Dudamel für den Schlussakkord des heurigen Grafenegg-Festivals sorgten, gastierte dort noch das Orchester in Residence: die Tonkünstler unter ihrem Chef Andrés Oroczo-Estrada. Auch dieser Abend erhielt seine spezifische Kontur durch einen Solisten. Diesfalls durch den international gefeierten Dänen Nikolaj Znaider. Er brachte das Sibelius-Konzert, spielte es auf der einst Fritz Kreisler gehörenden Guarneri mit einer solchen technischen wie musikalischen Selbstverständlichkeit, dazu mit so differenzierter Dynamik, als hätte es der Komponist für ihn geschrieben. Einiges von seiner rhythmischen Verve hätte der ansonsten tadellosen Orchesterbegleitung gut getan.

Dass geschärfte Rhythmik nicht gerade die Stärke des Orchesters ist, zeigte sich auch nach der Pause, bei Strawinskys auch in Zusammenspiel und Artikulation nur halbwegs überzeugendem „Le sacre du printemps“. Ungleich mehr lagen Orchester und Dirigent das Einleitungsstück, Ravels „La Valse“, wenngleich das Visionäre dieser Wien-Hommage bei aller plastischen Herausarbeitung vieler Details zu wenig deutlich wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2014)

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