Schwungvoller Strauss, toller Schostakowitsch

(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Die Münchner Philharmoniker unter Semyon Bychkov eröffneten die Musikvereinsaison.

Seine letzte Chefposition führte Lorin Maazel an die Spitze der Münchner Philharmoniker. Eine überraschende Entscheidung, schließlich war er zuvor lange Jahre in derselben Position beim führenden Klangkörper der Isarstadt, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Er hat mit seiner Arbeit wesentlich den Grundstein für die Aufwärtsentwicklung dieses Klangkörpers geleistet, dem unter Mariss Jansons der letzte Feinschliff zuteil wurde.

Gewiss hatte der vor wenigen Monaten überraschend verstorbene Maazel auch vor, sein zweites Münchner Orchester zumindest nahe an die Spitze heranzuführen. Immerhin hat es, allein gemessen an seinen Chefdirigenten – darunter Rudolf Kempe, Sergiu Celibidache, James Levine und Christian Thielemann –, eine ereignishafte Vergangenheit. Für ganz nach oben hat es bisher noch nicht gereicht. Dazu fehlt – wie auch dieses zweitägige Wien-Gastspiel zeigte – den Streichern einiges an Glanz und so manches an Brillanz, sind die Bläser oft zu direkt und mischen sich die beiden Gruppen nicht immer mit der gewünschten Selbstverständlichkeit zu einem Klang. Und auch mit der Präzision klappt es unterschiedlich.


Reverenz an Maazel. Dabei hätten die Musiker nur präzise den klar gezeichneten Intentionen von Semyon Bychkov folgen müssen, der anstelle von Maazel diese beiden Konzerte dirigierte. Mit durchaus unterschiedlichen Ergebnissen. Am wenigsten eindringlich – weil dynamisch zu wenig differenziert und zu einseitig impulsiv – erstand die „Vierte Brahms“. Hier schienen die Musiker auch mit der Akustik des Goldenen Saal nur zum Teil zurecht zu kommen. Diese finale e-Moll-Symphonie entfaltet auch dann ihre Wirkung, wenn man sie mit weniger kräftigen Farben zeichnet. Dann treten auch die lyrischen Episoden deutlicher in den Vordergrund. Jedenfalls wird man diese Darstellung schon in den nächsten Tagen vergleichen können. Denn ab heute gastiert das Cleveland Orchestra unter Franz Welser-Möst in Musikverein und Konzerthaus ebenfalls mit Brahms – und zwar gleich mit allen vier Symphonien.


Hinreißend: J. Rachlin. Enttäuschte der Brahms der „Münchner“ am ersten Abend auch, weil man sich nach dem brillant servierten ersten Stück mehr erwartete? Jedenfalls, beim ersten Violinkonzert von Schostakowitsch gelang eine nicht nur solistisch packende, sondern auch im Zusammenspiel vollkommene Aufführung dieses David Oistrach gewidmeten Werks, das, zuweilen ausufernd in den Sätzen, bestimmt ist von weiten melodischen Linien und nach funkelnder Virtuosität verlangt. Ein Panorama unterschiedlichster Stimmungen, die oft unvermittelt aufeinander folgen und nicht nur den Solisten in steter Hochspannung halten. Julian Rachlin musizierte das a-Moll-Werk mit hinreißender Verve, sattem Ton und einer an Souveränität kaum zu übertreffenden Eloquenz. Rachlin – diese Saison zudem Artist in Residence der Gesellschaft der Musikfreunde – dankte für den heftigen Applaus mit einem Bach-Encore, das er Maazel widmete.

Dieser war der erste Dirigent, der Rachlin in jungen Jahren engagiert hatte, Maazels Andenken waren auch diese beiden Abende gewidmet, die mit seinem schwungvoll-inspirierten Richard-Strauss-Programm ein überzeugendes Finale boten. Auch hier mit einem Solisten, noch dazu aus den eigenen Reihen, Jörg Brückner, der sich des immens anspruchsvollen Soloparts des zweiten Strauss-Hornkonzerts erfolgreich annahm. Das Zentrum dieses Abends bildeten zwei der Strauss-Tondichtungen. Zuerst der mit Schwung präsentierte jugendliche Geniestreich „Don Juan“, nach der Pause das von Bychkov exzellent disponierte, sich auch durch ein souveränes Geigensolo (Sreten Krstič) auszeichnende, „Heldenleben“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2014)

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