Osttiroler als "Immigranten"

(c) EPA (STEPHEN CHERNIN)
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Das Klangforum feiert heuer musikalische "ImmigrantInnen" - sogar Wolfgang Mitterer und Bernhard Gander werden dazugezählt.

In der Tiefe gärt es. Kontrabässe, Bassklarinette und Kontraforte, sie gurgeln, brummen, blubbern und knarren im Fortissimo und in rascher, dringlicher Gangart. Das ganze Ensemble wiederholt rhythmische Muster blockweise, wandelt sie zugleich ab. Akkordfolgen taumeln, perkussive Attacken wechseln mit winselnden Violinduetten, alles ächzt, pfeift und stöhnt wie eine selbst gebaute Dampfwalze auf der Love Parade – denn Patrick Pulsinger gibt als Solist an Elektronik und Synthesizer immer wieder unbeständige Beats vor.

Bernhard Gander hat „Le sacre du printemps“ auf dessen Nähe zu Slasher-Genre und Death Metal untersucht und seine Beobachtungen zur Basis einer filmreif-blutigen Rache des geopferten Mädchens gemacht. „Take Death“ für 20 Instrumente und DJ ist die saftig-vergnügliche, etwa 40-minütige Tonspur eines imaginären Horrormovies, bei dem zwischen gliedernden Glockenschlägen nicht nur die mörderischen alten Männer beseitigt werden, sondern auch Strawinsky („Igor's disembowelment“) und zuletzt Gander selbst („My hammer-smashed face“).

Wesentlich knapper fasste sich dagegen Wolfgang Mitterer vor der Pause in „scan 1“, einem ähnlich lustvoll angestimmten, klanglich aber breiter und heller angelegten Kaleidoskop explosiv glitzernder, klingelnder, kreischender Elemente: quecksilbrig, abwechslungsreich, unvorhersehbar.

„ImmigrantInnen“ ist der heurige Saisonzyklus überschrieben, den das Klangforum Wien am Freitag im Mozartsaal des Konzerthauses unter der Leitung von Johannes Kalitzke eröffnet hat: Er soll Hymnen singen auf die Bereicherung, die Menschen aus anderen Gesellschaften und Kulturen darstellen. In gewisser Weise feiert sich das großartige Ensemble damit auch selbst, dessen Mitglieder kommen ja aus insgesamt zehn Ländern.

Neben den beiden bloß aus Osttirol stammenden Komponisten schienen allerdings die eigentlichen Migranten des fast zu reichhaltigen, aufwendigen, aber herzlich bejubelten Programms an den Rand der Aufmerksamkeit gedrängt: Bei Eduardo Moguillansky versprühten nicht zuletzt vehement geblasene Melodicas grellen Charme, Horatiu Rädulescu setzte rituell anmutende Schlagzeug-Gesten ein, und in den schillernden „Offrandes“ des Klassikers Edgard Varèse durfte auch die Sopranistin Marsiol Montalvo glänzen. (wawe)

Fortsetzung folgt am 25.11; mehr von Gander aber schon ab 29.10. bei Wien Modern – etwa seine Sitcom-Oper „Das Leben am Rande der Milchstraße“. Auf Ö1: morgen, 23.9., 23.05 Uhr (in der Sendung „Zeit-Ton“).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2014)

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