Musikverein: Dvořák und die russische Seele

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Mit Dvořáks „Stabat Mater“ beschlossen Fedosejew und sein Tschaikowsky-Symphonieorchester ihr diesjähriges Wiener Gastspiel.

Schwer und träumerisch, empfindsam, aber auch unruhig: So wird gern die russische Seele beschrieben. Charakteristika, die sich stimmig auf Antonín Dvořáks 1880 in Prag uraufgeführtes „Stabat Mater“ münzen ließen. Eine der zahlreichen Vertonungen der um 1306 von Jacopone da Todi geschriebenen Sequenz von der schmerzerfüllten Mutter Gottes, die gleichermaßen von tiefer Trauer wie der Hoffnung auf ein Weiterleben nach dem Tod kündet. Ein Stoff, der Komponisten immer wieder fasziniert hat. Dennoch haben sich nur einige dieser „Stabat Mater“-Vertonungen im Konzertalltag durchgesetzt. Neben Werken von Pergolesi und Rossini vor allem das noch unmittelbarer den Text auslotende von Dvořák, was wohl auch mit seiner Entstehungsgeschichte zusammenhängt.


Initiiert wurde dieses für Solistenquartett, großen Chor und Orchester konzipierte Opus vom Tod von Dvořáks erster Tochter, Josefa. Als zwei Jahre später, 1877, auch seine beiden anderen Kinder, Růžena und Otokar, starben, begann Dvořák mit der Instrumentierung des ursprünglich für Soli, Chor und Klavier gedachten Stücks und ergänzte es noch durch die heute in der Partitur als Nummern fünf bis sieben aufscheinenden Teile. Damit stellt er dem Chor anspruchsvolle Aufgaben, einmal auch zusammen mit dem Solotenor.

Abgesehen von einigen Unschärfen im Sopran war die Darstellung des Chorparts durch den bestens vorbereiteten, mit glasklarer Artikulation und höchster Homogenität aufwartenden Wiener Singverein (Einstudierung: Johannes Prinz) das Ereignis der beiden Abende, mit denen das seit vier Jahrzehnten von Fedosejew geleitete Tschaikowsky-Symphonieorchester Moskau sein Wiener Gastspiel abschloss. Dass sich die Choristen so entfalten konnten, war ebenso ein Verdienst des sich intensiv mit religiösen Themen auseinandersetzenden Dirigenten. Da Fedosejew die tiefe Emotion nie mit billiger Sentimentalität verwechselt, vermochte er auch mit seinen straffer als gewohnt genommenen Tempi, den Gehalt dieses Dvořák mit seinen ganz auf ihn eingestimmten, mit unaufdringlicher Perfektion aufwartenden Musikern zu vermitteln. Sie erwiesen sich ebenso als einfühlsame Begleiter des im Zusammenklang mehr als in manchen Soli überzeugenden Solistenquartetts Ricarda Merbeth, Yvonne Naef, Peter Sonn und Robert Holl. (dob)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2014)

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