Ravels „Gaspard“ für Orchester: Ein Missverständnis

(c) Clemens Fabry
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Das Orchestre national de Lyon mit Leonard Slatkin und Baiba Skride.

Es gibt offenbar wenig Literatur für Symphonieorchester. Anders ist es nicht erklärbar, dass am Samstag im Wiener Konzerthaus eine (nicht vom Komponisten) angefertigte Orchesterfassung von Ravels in jeder Hinsicht wahnwitzigem Klavierwerk „Gaspard de la Nuit“ auf dem Programm des Orchestre national de Lyon und seines Chefs Leonard Slatkin gelandet ist. Es geht hier nicht um die Frage, ob solche Bearbeitungen legitim, sondern ob sie nötig und nützlich sind. Ravel selbst hat einige Klavierwerke (Das wunderbare „Tombeau de Couperin“ etwa oder die „Valses Nobles et Sentimentales“) auch für Orchester gesetzt und dabei oft den Charakter der Stücke noch zugespitzt.

Bei „Gaspard de la nuit“ in der Bearbeitung von Marius Constant passierte das genaue Gegenteil. Das Exzentrische, Manische vor allem der Ecksätze wird in der Orchesterfassung schlicht glattgebügelt. Die Wirkung, die sich bei Ravels Klavierwerk ja auch dadurch ergibt, dass es sich an der Spielbarkeitsgrenze bewegt und dem Pianisten Äußerstes abverlangt, kann sich nicht ansatzweise entfalten, obwohl sich Slatkin sichtlich bemüht hat.

Weniger kann das vom Orchesterpart in Saint-Saëns' drittem Violinkonzert behauptet werden, den Slatkin akkurat organisiert hat, aber nicht mehr. Die brillante Geigerin Baiba Skride war in der Gestaltung weitgehend auf sich allein gestellt. Das ging in den Ecksätzen soweit ganz gut, doch im Mittelsatz, den Skride mit bezaubernder Subtilität gestaltete, als hätte sie Angst, die Töne zwischen Finger und Saite zu zerquetschen, fehlte ihr ein Pendant. Dabei hatte Slatkin noch kurz zuvor bei Bernsteins „Divertimento“ energischen Gestaltungswillen gezeigt. (hd)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2014)

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