Musikverein: Ein Konzert für Hörer, die auf Zugaben warten

Maxim Vengerov
Maxim Vengerov(c) EPA (Robin Townsend)
  • Drucken

Maxim Vengerov und Itamar Golan wählten für ihr Recital im Goldenen Saal diesmal zwei kaum bekannte Sonaten von Edward Elgar und Serge Prokofieff und „belohnten“ das Publikum dann mit Kreisler & Co.

Maxim Vengerov ist wieder da. Eine Zeitlang musste der Virtuose wegen einer Verletzung pausieren. Er hat seither etliche Verpflichtungen angenommen, als Juryvorsitzender bei Wettbewerben, sogar als Dirigent. Längst geigt er aber wieder. Das bleibt ja doch sein eigentliches Metier. Mit dem ihm eigenen Charme führte er moderierend durch den zweiten Teil seines Abends mit Itamar Golan im Goldenen Saal. Normalerweise, so verkündete er, gebe es nach einem Recital mit drei oder vier Sonaten zwei, drei Zugaben. Diesmal sollte es anders sein.

Die ganze zweite Hälfte bestand aus dem, was man in Wien früher gern Akazi-Stückerln nannte. Und da, bei Kreisler, Ysaye, Fauré und Co., lief der Virtuose auch zur vollen Form auf. Technische Hürden nimmt er mit Nonchalance, als ob er sie gar nicht als solche erkennen könnte. Die Intonation ist auch in heikelsten Tonpirouetten schier unfehlbar.

Hinzu kommt die altbewährte Partnerschaft mit Itamar Golan, der ein phänomenaler Musiker ist und – ebenso unprätentiös und sicher wie Vengerov – die erstaunlichsten Pointen zu servieren versteht. Er ist ein Musikant trockensten Humors. Manches spritzige Aperçu serviert er scheinbar beiläufig, Wiens Musikfreunde wissen: Wenn sie einem solchen Musiker nicht ganz aufmerksam lauschen, versäumen sie unter Umständen die besten Pointen.

Eine Stradivari, monochrom

Das steigert Aufmerksamkeit und Applaus. Der kam auch schon vor der Pause freundlichst. Da waren freilich Wünsche offengeblieben. Das Duo hatte Raritäten für den Konzertbeginn gewählt, denen man sich gern mit derselben Hingabe gewidmet hätte wie den Pièçen nach der Pause. Allein, da tönte Vengerovs Stradivari monochrom (wie übrigens auch Golans Steinway matt in der Mittellage), da kippte die Nonchalance ins Unverbindliche, ja Desinteressierte.

Dabei ging es um zwei wertvolle, aber schwierig anzupreisende Werke der Spätest-Romantik bzw. der Moderne. Edward Elgars Violinsonate und die f-Moll-Sonate von Prokofieff, die neben dem viel eingängigeren, berühmteren (aus einer Flötensonate destillierten) Schwesternstück ein Aschenputteldasein im Repertoire führen muss.

Bei aller stilistischen Differenz (die aus dem klanglichen Einerlei, das die beiden Interpreten diesfalls auftischten, gar nicht erkennbar wurde) gäbe es in beiden Werken hinter virtuos-polierter Oberfläche (bei Elgar) bzw. düsterem Dauer-Expressionismus (bei Prokofieff) allerlei Zwischentöne und vor allem hintergründige, geheimnisvolle Botschaften zu dechiffrieren. Doch fehlte sogar extremen Kontrasten und Pianissimo-Passagen jeder Zauber, jeder leiseste Anflug von Mysterium. Der Tonfall blieb seltsam apathisch – als stellte jemand die dynamische Differenzierung lediglich mit dem Schieberegler her, während die Musiker alle Notenlinien allesamt gleich intensiv durchmessen.

So fiel das Aufatmen im Auditorium, sobald „Schön Rosmarin“ erklang, doppelt erleichtert aus; zu Ungunsten von und unverdient für Elgar und Prokofieff.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.