„Tosca“ in Graz: Ein Ring aus Lust und Qual

(c) Oper Graz/Werner Kmetitsch
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as Grazer Philharmonische Orchester glänzte, die Regie von Alexander Schulin blieb belanglos.

Wie schön, vermelden zu können, dass der Erfolg einer Neuproduktion von Puccinis „Tosca“ einmal gänzlich auf das Konto einer herausragenden Orchesterleistung geht – da hat Chefdirigent Dirk Kaftan mit seinem Grazer Philharmonischen Orchester ganze Arbeit geleistet! Bereits in den eröffnenden Akkorden wurde klar, dass es hier um den eisenklirrenden Triumph des Urbösen gehen würde, der den Ring aus einander bedingender Lust und Qual, der die „Tosca“ ja ausmacht, schließlich katastrophal auseinandersprengt. Dazwischen ließ Kaftan aber auch genügend Platz für luxurierend schimmernde Klangflächen, die Entfaltung raffiniert-maliziöser Nervenpolyphonie (eine Sternstunde erwischten die tiefen Holzbläser!) sowie für das Aufblühen der erotisch-trunkenen Kantilenen in geradezu narkotisch-vegetativer Intensität. Lediglich die Anschaffung eines neuen Glockensets wäre dem Haus dringend zu empfehlen, so blechern scheppernd klingen römische Glocken wahrlich nicht.

Andrea Danková verleiht der römischen Gesangsdiva ein vokal wie auch darstellerisch plastisches, feminines Profil, das seinen Höhepunkt in der berührenden „Vissi d'arte“-Szene fand, an manchen Stellen hätten freilich nuanciertere Farbmischungen nicht geschadet. Demos Flemotomos als politischer Heißläufer Cavaradossi verfügt über einen jugendlichen, viril strahlenden und souverän höhensicheren Tenor, der vor allem im „Vittoria“ besonders eindrucksvoll zur Geltung kam.

Die herausragendste Bühnengesamtleistung des Abends bot jedoch Wilfried Zelinka, dessen nobel-lyrischer Bariton die traditionelle Gestaltung des Scarpia als zynisch-brutalen Auftragskillers von vornherein ausschloss. Stattdessen zeichnete er den Polizeipräsidenten als kühl reflektierenden Baron, der zu den branchenüblichen Foltergrausamkeiten nur gezwungenermaßen greift – geradezu eine Neukreierung dieser scheinbar allzu bekannten Opernrolle.

Keine Engelsburg, kein Morgengrauen

Regisseur Alexander Schulin (leider in offensichtlicher Unkenntnis der römischen Liturgie) versetzte den ersten Akt in eine Art byzantinische Katakombe, aus dem üppigen Luxus des Palazzo Farnese wurde eine in aseptischem Weiß gehaltene strenge Kammer im Stil des Escorial, der dritte Akt erwies sich als imaginäres Traumgeschehen, da Cavaradossi genauso wie sein Peiniger Scarpia bereits zum Trommelwirbel am Ende des zweiten Aktes aus dem Leben scheiden musste. Keine Engelsburg, kein römisches Morgengrauen, nichts, Kirche und Scarpia-Zimmer verschachtelten sich zum Schluss-Tableau ineinander. Das stört zwar nicht empfindlich, bringt aber weder neue Facetten noch eine Verdeutlichung der Handlung. Schade.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2014)

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