Luciano Pavarotti: Familienalbum

Luciano Pavarotti
Luciano Pavarotti(c) Collection Rolf Heyne
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Den Menschen hinter der Legende Luciano Pavarotti zeigt ein neuer Bildband. Die Familie hat das private
Fotoarchiv geöffnet – und so sieht man den Startenor beim Herumalbern, Kochen und Boccia Spielen.

Er war der Tenor der Rekorde. Neun hohe Cs in der Londoner Covent Garden Opera im Juni 1967 standen am Beginn der Karriere. Es gab mit Alfredo Kraus während und mit Juan Diego Florez nach Pavarottis Opernleben andere Tenöre, die Gleiches mit ähnlicher Brillanz zu erledigen wussten. Doch galt der Italiener über zwei Jahrzehnte hin als ungekrönter König der tenoralen Höhenjäger. Das Publikum jubelte ihm zu, wo immer er erschien. Mehr als eine Stunde lang etwa nach einem „Liebestrank“ noch Ende der Achtzigerjahre in Berlin. Jedes Opernhaus, das Pavarotti mit seiner Anwesenheit beehrte, kann auf Pavarotti-Statistiken verweisen, die in ähnlichen Werten gipfeln. Wien war ähnlich ausgiebig aus dem Häuschen, als „Big P“ an der Seite von Mirella Freni unter Carlos Kleibers Leitung in Puccinis „Bohème“ sang.
Und, noch ein Rekord, zum Konzert im New Yorker Central Park, 1993, strömte sage und schreibe eine halbe Million Menschen – live!

Strahlendes Timbre. Amerika war es auch, das den 1935 in Modena als Sohn eines Bäckers geborenen Künstler zum Glamour-Star werden ließ. Sogar als Filmstar – in einem unsäglich schlechten Streifen – versuchte man ihn zu etablieren. Doch das war spät. Die Heimat des Tenors blieb doch die Opernbühne und zu Zeiten das Schallplattenstudio. Einspielungen mit bedeutenden Dirigenten wie Herbert von Karajan („La Bohème“ und „Madame Butterfly“ an Mirella Frenis Seite) steigerten seinen Ruhm ebenso wie manche Eroberung von Tönen jenseits des Hohen Cs, die er vor Mikrophonen, kaum jedoch auf offener Szene wagte. Was vermarktbar war, das war das strahlende Timbre und die bald perfektionierte optische Präsentation der massiven Gestalt inklusive geschwenktem weißen Taschentuch, das zum Markenzeichen wurde.

Der Mann hinter Pavarotti war der New Yorker Agent Herbert Breslin, der seit dem Debüt an der Metropolitan Opera 1968 die Geschicke des Künstlers lenkte. Und zwar mit eiserner Hand. Die Fama will es, dass Breslin Pavarotti mit den Worten angeworben haben soll: „Luciano, you are a nice guy. So you need a real bastard to do your publicity!“ Der „Bastard“ arbeitete minuziös. Er war auch der Drahtzieher der tenoralen Fusion im Zeichen des Sports: Die „Drei Tenöre“ wurden zum Megaseller – doch stets so, dass für die meisten Kommentatoren kein Zweifel bestand, wer im imaginären Dreikampf zwischen Carreras, Domingo und Pavarotti der primus inter pares war.

So wurden die großen US-Häuser zu Pavarottis eigentlicher Heimstätte. Europa war für ihn stets nur Zwischenstation. In Wien machte sich der Höhenjäger in seiner Glanzzeit überhaupt rar. Ein paar Auftritte vor 1970, dann dreimal der „Troubadour“ anlässlich der Wiederkehr von Herbert von Karajan im Mai 1977 – schöner, konzentrierter, mit mehr Strahlkraft hat er in der Staatsoper nie gesungen. Es vergingen sieben weitere Jahre, bis Lorin Maazel, Kurzzeitdirektor mit Langzeitwirkung am Ring, dem Tenor endlich Heimatrecht verschaffte. Mit den Gastspielen in Donizettis „Liebestrank“ und als Radames in der von Maazel selbst dirigierten „Aida“-Premiere begann die Pavarotti-Zeit an der Staatsoper. „Tosca“, „Bohème“ und „Maskenball“ folgten, einige Nachzügler auch, als die Stimme schon viel von ihrer Kraft und Sicherheit verloren hatte.

Legendäre Momente. Der Niedergang eines bis zuletzt von der PR-Industrie in interstellare Höhen gehievten Künstlers war sozusagen auf Raten zu erleben. Was blieb, ist die Dankbarkeit für etliche jener Momente, in denen sich ein Auditorium kollektiv vergisst, weil eine Stimme von überwältigender Schönheit zu vernehmen ist. Es gibt einen Moment, den wohl sämtliche Pavarotti-Verehrer in diesem Zusammenhang als ersten erwähnen, jene Passage im Übergang zwischen den beiden Schlussbildern von Verdis „Maskenball“, die Pavarotti ungeniert an der Rampe in den Saal zu schleudern wusste, mit einer Verve, die unausweichlich war. Aus solchem Stoff sind Legenden. Das Buch „Luciano Pavarotti“ aus der Collection Rolf Heyne versucht diese Legende nun zum ersten Todestag nachzuerzählen. Mit Bildern aus dem Privatnachlass der Familie, die bis dato unveröffentlicht waren. Für Fans unverzichtbar.

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