Musikverein: Finale mit Verdis Requiem

(c) Clemens Fabry
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Riccardo Muti und sein Chicago Symphony Orchestra sorgten mit ihrem Gastspiel für Begeisterung.

Zweiter Abend der Residenz des Chicago Symphony Orchestra unter Riccardo Muti im Wiener Musikverein: Die dicken, süßen Wolken von Alexander Skrjabins dritter Symphonie mit dem Beinamen „Le divin poème“ hatten sich aus dem Goldenen Saal langsam aber doch verzogen. Das Publikum feierte den Maestro so herzlich, dass dieser schließlich doch zu einer Zugabe anhob. Nachdem man nach Skrjabins ausführlich spätromantisch mäanderndem Großhappen nicht mit einem Encore gerechnet hatte, wiederholte man jenes vom ersten Gastspielabend: Verdis „Nabucco“-Ouvertüre.

Großzügig breit in der Introduktion von Muti angelegt, damit das erste Allegro umso effektvoller wirken kann, danach das „Va, pensiero“-Thema genüsslich ausgekostet, schließlich in überwältigender Symphonieorchester-Stärke gestochen scharf ins Finale getrieben. Ja, hier ist Riccardo Muti zu Hause. Zund und Leidenschaft, die man ein wenig mehr auch dem Programm davor gewünscht hätte. Maritimes war im ersten Teil angesetzt, zunächst mit Mendelssohns mehr Meeresstille als glückliche Fahrt offerierender Ouvertüre op. 27. Ähnlich das Bild auch bei Debussys „La Mer“. Beides wohlfeil orchestral aufbereitet, wiederum imposant die Blechriege, hervorragend das Holz, mit properem Wohlklang die Streicher. Doch etwas mehr Schwung im Spiel der Wellen, ein Spritzer mehr Gischt hätten die symphonischen Skizzen vertragen können.

Szenenwechsel. Allerheiligen stand ganz im Zeichen von Verdi und seiner „Messa da Requiem“. Und da weiß man, was man bei Muti bekommt. Spannung vom ersten Moment an. Schon das Flüsterflehen des Chors nach der „Ewigen Ruhe“ zu Beginn artikuliert er gemeinsam mit dem hervorragend einstudierten Singverein voller Intensität. Dank der perfekt präparierten Chor- und Orchestermassen gerät man dann jäh und unentrinnbar ins „Jüngste Gericht“, das Muti zur überwältigenden, ergreifenden Gottesgerichtsoper in allen denkbaren Farben ausmalt. Bei diesem Requiem ist jeder Takt, jede Nuance gestaltet und ausdrucksvoll aufgeladen. Da fällt selbst der imposant aber doch überdruckvoll geführte Mezzo von Ekaterina Grubanova kaum ins Gewicht.

Schließlich steht ihr als kurzfristige Einspringerin die betörend schön phrasierende und mit jeder Ausdrucksfaser ihres Soprans mitatmende Krassimira Stoyanova an der Seite. Piotr Beczala sorgt für den luxuriösen und differenzierten Tenorklang und Riccardo Zanellato komplettiert das Solistenquartett mit soliden Basstönen. Ein gelungenes, laut bejubeltes Gastspielfinale.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2014)

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