Konzerthaus: Brillanter Bach, enttäuschender Schumann

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Piotr Anderszewski bewies sich im großen Konzerthaussaal als einer der bedeutendsten Bach-Interpreten.

Wohl eher Zufall als Dramaturgie: Zwei Träger des renommierten Gilmore Artist Award traten an aufeinanderfolgenden Tagen im Konzerthaus auf. Zuerst Kirill Gerstein, Preisträger 2010. Glänzend begleitet von den Wiener Philharmonikern unter Semyon Bychkov, brillierte er erneut als sensibler Solist des zweiten Schostakowitsch-Konzerts. Er bedankte sich für den Beifall nicht – wie am Sonntag im Musikverein – mit einem frühen Rachmaninow, sondern mit der Etüde für die linke Hand des russischen Komponisten Feliks M. Blumenfeld. Er spielte sie mit solcher Musikalität und manueller Leichtigkeit, dass man sich jetzt schon darauf freut, dass er bald wieder in Wien zu hören ist: am 14. 1. mit der Strauss-Burleske im Konzerthaus.

Am Mittwoch dann Piotr Anderszewski. der den Gilmore-Preis 2002 bekommen hat. Wie Gerstein besticht er durch feinnerviges Spiel, sich nie in den Vordergrund drängende Brillanz und Streben nach größtmöglicher Durchsichtigkeit. Vor allem, wenn er sich Bach widmet, zu dessen bedeutendsten Interpreten am Klavier er zählt. Nicht nur, dass er die kräfteraubende sechste Englische Suite an den Schluss seines offiziellen Programms setzte, spielte er sie mit einer Perfektion, durch die selbst in der abschließenden, in rasantem Tempo genommenen Gigue alle Stimmen mit exemplarischer Klarheit erstanden. Auch die anderen Sätze dieses d-Moll-Werks und die Sarabande aus der ersten Bach-Partita spielte er mit Selbstverständlichkeit und Subtilität.

Zerdehnte Geistervariationen

Glänzend arbeitete er auch die Skrjabin- und Debussy-Nähe der pianistisch höchst anspruchsvollen, durch Homers Odyssee beeinflussten Metopes (1915) seines Landsmanns Karol Szymanowski heraus. Seinem Schumann-Spiel gehen eine solche Natürlichkeit und Stringenz noch ab, das zeigte sich bei den meist zerdehnten späten Geistervariationen WoO 24, erst recht bei der C-Dur-Fantasie. Wollte er Schumanns stete Gespaltenheit zwischen den Figuren Florestan und Eusebius besonders deutlich zum Ausdruck bringen? Rhythmisch markant herausgemeißelte Details und eine feinnervige Palette für die lyrischen Passagen führten zu bemerkenswerten Momentaufnahmen. Doch es gelang ihm nicht, sie zu einem spannenden Miteinander zu führen. (dob)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2014)

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