Beanspruchter Tenorissimo: Jonas Kaufmann

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Im Konzerthaus fand Jonas Kaufmann erst bei Liedern von Richard Strauss zur erhofften Form.

Natürlich waren die Fans beglückt: Endlich wieder einmal Jonas Kaufmann! Der international derzeit vermutlich meistumworbene und -adorierte Tenor hat gerade in München die Premierenserie der Neuenfels-Inszenierung von „Manon Lescaut“ hinter sich gebracht und ist auch in einer Vorstellung von Barenboims Mailänder Abschieds-„Fidelio“ für Klaus Florian Vogt eingesprungen; im Jänner steht in London ein neuer „Chénier“ an, zu Ostern singt er in Salzburg unter Thielemann in den Verismo-Zwillingen „Cavalleria“/„Pagliacci“ sowie in Verdis Requiem. In Wien sind zumal seine Opernauftritte eher rar: An der Staatsoper war er zuletzt im Oktober 2013 in der „Fanciulla“ zu hören und fehlt in dieser Saison ganz. So stürmt das Publikum seine Liederabende – im Mai im Musikverein, nun im Konzerthaus. Schön, dass Kaufmann die großen Säle füllen kann. Dem so wertvollen Genre, für das er sich mit aller künstlerischen Seriosität einsetzt, bekommt der Verlust des kleinen Kreises weniger – zumal, wenn eine mehrheitlich intime Sammlung wie Schumanns Kerner-Lieder auf dem Programm steht.

Rauer Beiklang, späte Ruhe

Kaufmann trat offenbar nicht in allerbester Form an. Erst nach und nach konnte er einen rauen Beiklang überwinden und mehr Geschmeidigkeit erlangen – ein stimmlicher Tribut, den er dem eingelegten Florestan-Zwischenspurt in der Scala zu zollen hatte? Wo er sich in weichere Kantilenen schmiegen konnte, etwa in „Sehnsucht nach der Waldgegend“, tönte er runder, und nach dem mit Stentorkräften und „aus voller Menschenbrust“ geschmetterten Höhepunkt der „Stillen Tränen“ fand er in den letzten beiden Nummern die nötige Ruhe und Schlichtheit.

Exaltation und spezifische Zurückhaltung eines Richard Strauss liegen ihm besser als Schumanns Innerlichkeit: Ein seltenes Vergnügen, die Gilm-Vertonungen des Opus 10 einmal komplett zu hören, sogar einschließlich des erst posthum veröffentlichten Liedes „Wer hat's getan“ und abgeschlossen von einem unsentimental-frisch genommenen „Allerseelen“. Hier, noch mehr aber im folgenden Bukett an Liebesgesängen sowie den drei Zugaben („Morgen“, „Cäcilie“ sowie mit „Mondnacht“ nochmals Schumann) beeindruckten nicht nur Kaufmanns heldischer Aplomb, auch der nuancierte Vortrag. Stets ein treuer Kompagnon, wagte da auch Helmut Deutsch am Klavier an den Kulminationen der Strauss'schen Liedszenen endlich jenen Griff ins Volle, den er sich bei Schumann diskret versagt hatte. (wawe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2014)

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