Staatsoper: Tschaikowskys Psychokrimi

Pique Dame
Pique Dame(C) Staatsoper
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„Pique Dame“ mit Aleksandrs Antonenko und Barbara Haveman als packendes Musiktheatererlebnis – exzellent besetzt.

Was der Met ihre Kinoübertragungen, sind der Staatsoper die Live-Streams. Demnächst steht Tschaikowskys „Pique Dame“ im Netz. Und diese Aufführung lohnt den technischen Aufwand wirklich. Zeigt sich doch wieder einmal, dass das Haus am Ring im laufenden Repertoire des Öfteren ein Niveau erreicht, das anderswo bei Premieren rar ist.

„Pique Dame“ wurde anlässlich der Wiederaufnahme in den Spielplan jedenfalls ein atemberaubendes Musiktheaterereignis, und das trotz der dümmlichen Details der Inszenierung Vera Nemirovas. Was die einzelnen Darsteller an Interaktion liefern, ist jedenfalls dem spannenden Psychokrimi, um den es hier geht, adäquat.

Vor allem punktet Wien wieder mit einer kaum egalisierbaren musikalischen Qualität. Das Orchester und der ungewöhnlich engagierte Chor laufen unter der besonnenen, aber offenbar höchst animierenden Führung Marko Letonjas zur Höchstform auf. Tschaikowskys leidenschaftliche musikalische Umsetzung der Seelenqualen seiner Akteure wird durch kräftig pulsierende instrumentale Akzente vorangetrieben – in die völlige Ausweglosigkeit der bitterbösen dramaturgischen Erzählung: Aleksandrs Antonenko macht die Besessenheit des Spielers Hermann mittels beeindruckender tenoraler Attacke deutlich.

In den Duetten mit der stillen Dulderin Lisa nimmt er die Stimme in jene lyrischen Register zurück, in denen Barbara Havemans Sopran mit mild leuchtenden Kantilenen Lust und Leid jener Mädchenfigur hörbar macht, die geliebt werden will, doch an der Ignoranz ihres Gegenübers zerbricht.

Dagegen ist die umjubelte Heimkehrerin Marjana Lipovšek als eiskalte Gräfin diesem Hermann der Fels, an dem er scheitern soll. Das sind große Interpretationen, in eine exzellente Ensemble-Leistung eingebunden. Bis hin zu den kleinsten Partien sind alle mit Eifer bei der Sache. Zwei Baritone von Format: Markus Eiches zu ausdrucksvollen melodischen Linien fähiger Jeletzki und Tomas Tomasson, der die Lieder des Grafen Tomski mit herbem Charme eindrucksvoll gestaltet.

Hinreißend die Polina von Elena Maximova, die ihre traurige Romanze bis in die tiefste Lage balsamisch weich und klangschön strömen lässt. Das alles ist live von unwiderstehlichem Effekt – und wert, dokumentiert zu werden. Wer also keine Zeit findet, ins Haus zu kommen: Am 28. Jänner streamt www.staatsoperlive.com.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2015)

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